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WIESBADEN LIMBURG, 15.11.2021

Präventionsketten gegen Kinderarmut

Pädagogische Fachkräfte für Armut sensibilisieren und Kindern und Jugendlichen eine Stimme geben: Zwei der Forderungen, die im Rahmen eines Online-Fachtages mit rund 100 Teilnehmern erhoben wurden.

Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf ein gutes Leben im Hier und Jetzt. Sie früh zu unterstützen und zu fördern, weil sich das in der Zukunft monetär lohne, sei – auch wenn es stimme - nicht ihr Argument, sagt Miriam Zeleke, hessische Landesbeauftragte für Kinder- und Jugendrechte, beim digitalen Fachtag „Präventionsketten gegen Kinderarmut“. Die Kinder und Jugendlichen selbst, ihre eigene Gegenwart und Zukunft, seien vielmehr der Grund, sich intensiv mit Maßnahmen zu beschäftigen, die Kinderarmut und Armutsfolgen verhindern. Insgesamt hatten sich knapp 100 Teilnehmer zu dem Online-Fachtag der Hessen-Caritas, der Diakonie Hessen und dem Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. zugeschaltet.

Gute Argumente für die Einführung von Präventionsketten gebe es viele, so Zeleke: Durch die Einführung integrierter Armutspräventionsketten werden, so Zeleke, Angebotslücken identifiziert, Ressourcen gebündelt und Kinder im Entwicklungsverlauf kontinuierlich begleitet. Die negativen Folgen von Kinderarmut könnten dadurch bereits präventiv verhindert oder deutlich abgemildert und Chancengerechtigkeit für Kinder aus armutsbetroffenen Familien könne so eher hergestellt werden. Außerdem könnten durch eine Vernetzung aller relevanter Akteure im Sozialraum Synergieeffekte genutzt werden. Wichtig sei bei der Einführung von Armutspräventionsketten zudem, so auch die Rückmeldung vieler Teilnehmenden, eine kindzentrierte Herangehensweise, Kinder müssten als Experten und Expertinnen ihrer selbst gehört und systematisch in die Prozesse eingebunden werden.

Zeleke hatte - ebenso wie Sozialminister Kai Klose in einem Video-Grußwort – zuvor auf die Verpflichtung des Landes Hessen, die auch eine gesamtgesellschaftliche sei, hingewiesen, Kinder und Jugendliche zu schützen - und zwar vor Gewalt, Diskriminierung, Stigmatisierung und Etikettierung. Außerdem haben Kinder ein Recht auf den Schutz ihrer Privatsphäre und auf einen angemessenen Lebensstandard. Was ein gutes Leben für Kinder und Jugendliche ausmacht, das hat Zeleke im Gespräch mit Kita- und Grundschulkindern und mit Jugendlichen aus einer Wohngruppe eruiert. Kinder und Jugendliche wollen, so eine der vielen Erkenntnisse, im Diskurs ernst genommen werden. Damit sie gehört werden, so Zeleke, seien Fachkräfte gefordert, Kindern und Jugendlichen diese Stimme zu geben.

Armutssensibles Handeln in Kindertageseinrichtungen gefordert

 Dr. Irina Volf vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik referierte über die AWO-ISS-Langzeitstudie zum Thema Kinderarmut und über das Gelsenkirchener Projekt „Zukunft früh sicher!“, das ein armutssensibles Handeln in Kindertageseinrichtungen umsetzt. „Armutssensibilität ist eine Grundvoraussetzung, Armutsfolgen zu verhindern. Das bedeutet einen bewussten Umgang mit Barrieren. Und ermöglicht pädagogischen Fachkräften Stigmatisierungsmechanismen zu erkennen und zu verhindern“; erläutert Volf. Fachkräfte könnten als Bildungsbegleiter Begabungen und Talente erkennen und fördern. Denn die geringeren Entwicklungschancen bei Kindern aus armen Familien sind durch Langzeitstudien bewiesen.

Diese Chancenungleichheit müsse Thema in der Kita sein. Auch deshalb kritisiert Volf die gängige Praxis, dass Kinder von nicht erwerbstätigen Eltern nachrangig bei Kita-Plätzen berücksichtigt werden. Oft bräuchten aber gerade diese Kinder die frühe Förderung in der Kita. Schon in der Kita sollten Fachkräfte eine Fallbeschreibung einüben. Dabei soll die individuelle Lebenslage reflektiert werden und beispielsweise auch die Frage erörtert werden, wie das Kind in der Kita oder im Sozialraum zusätzlich gefördert werden könne. „Mit dieser Blickveränderung kann man sehr viel bewirken“, erklärt Volf in Bezug auf das Modellprojekt in Gelsenkirchen „Zukunft früh sichern!“ und warb dafür, Fachkräfte zum Thema Armutssensibilität zu schulen. Auf die Frage, wie man Kinderarmut begegnen kann, verweist Volf auf Geld, beziehungsweise zusätzliche Ressourcen für mehr Fachkräftestunden in der Kita, eine bessere Ausstattung und Qualifizierungsmaßnahmen zum Thema Armutssensibiltät für pädagogische Fachkräfte. 

„Der Ansatz, das Ziel und der Wille, Präventionsketten gegen Kinderarmut aufzubauen, wird von allen Teilnehmenden an unseren Fachtagen geteilt. Gleichzeitig sehen wir, dass es zur Umsetzung dieses Ziels noch einiger, gemeinsamer Anstrengungen aller Akteure bedarf. Dies wollen und werden wir mit weiteren Fachtagen unterstützen.“ erklärt Mitorganisatorin Eva Hannöver-Meurer vom Caritasverband für die Diözese Limburg. Des Weiteren haben Vertreter von Kindertagesstätten, von der hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung (HAGE) und vom Jugendamt Offenbach über ihre Erfahrungen berichtet. Die Moderation hatte Dr. Felix Blaser von der Diakonie Hessen inne.

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