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OFFENBACH, 31.10.2021

"Wir sind auf einem guten Weg"

Das Bistum gestaltet einen Kulturwandel, stellt seine Organisation neu auf und plant neue Wege der Beratung. Auf dem Trafo-Kongress haben sich 320 Personen mit dieser Zukunftsvision befasst.

Um zukunftsfähig zu sein, gestaltet das Bistum Limburg einen Kulturwandel, stellt seine Organisation komplett neu auf und plant neue Wege der Beratung und Entscheidung. Auf dem Trafo-Kongress „Veränderung miteinander gestalten“ am 29. und 30. Oktober haben sich nun mehr als 320 Ehren- und Hauptamtliche mit dieser Zukunftsvision der Diözese befasst. Digital am Bildschirm und live in der Eventlocation Fredenhagen in Offenbach sind Ergebnisse, Modelle und Strategien aus dem sogenannten Transformationsprogramm der vergangenen zwei Jahre diskutiert und mit vielen Perspektiven angereichert worden. Ziel dieser Transformation ist es, dem Auftrag der Kirche, nämlich den Willen Gottes für die Menschen da zu sein und ihr Leben durch die Begegnung mit der frohen Botschaft des Evangeliums zu bereichern, gerecht zu werden. Diesem Ziel näher zu kommen, ist beim Trafo-Kongress gelungen. 

Isabell Röll, ehrenamtliche Vorsitzende des Bunds der Deutschen katholischen Jugend (BDKJ) im Bistum Limburg, setzt dabei auf das Engagement der Jugendverbände, denn die Jugend sei die Zukunft der Kirche. „Wir brauchen Strukturen und Mut, Jugendliche abzuholen und sie für die Sache Jesu und die Kirche zu gewinnen. Wenn uns das nicht gelingt, geht die Kirche irgendwann unter, weil junge Menschen keinen Sinn und Zweck mehr sehen, in der Kirche zu sein und deshalb austreten“, sagt Röll. Ihr hat die Atmosphäre auf dem Kongress und die Eventlocation, die ehemalige Industriehalle, gut gefallen. Hier sei es leicht gefallen, miteinander ins Gespräch zu kommen und wichtige Zukunftsthemen in den Blick zu nehmen. 

  • Die erste Quelle für den Transformationsprozess ist für Bischof Georg die Erfahrung im Gespräch mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern in den Pfarreien neuen Typs. Hier wurde ihm berichtet, dass sich Pfarreien komplett neu organisieren mussten und er wurde immer gefragt, wann sich denn das Bischöfliche Ordinariat neu aufstelle. 
  • Die zweite Quelle sind für ihn die inhaltlichen Fragen der Kirchenentwicklung. „Kultur und Struktur gehören zusammen. „Eine Kultur ohne Strukturen hängt in der Luft und ist irgendwann nicht mehr greifbar “, so der Bischof. Bei der neuen Kultur gehe es nicht um Fragen des institutionellen Selbsterhalts, sondern um die Grundfrage: Für wen sind wir da. 
  • Die dritte Quelle sind die Ergebnisse und Erfahrungen aus dem MHG-Projekt „Betroffene hören-Missbrauch verhindern im Bistum Limburg“. „Im Projekt sind Handlungsempfehlungen und Impulse entstanden, die nun umgesetzt werden. Dabei geht es nicht selten um Strukturen. Es geht um Fragen der Leitung und nach Macht. Es geht um Fragen der Kontrolle und Qualitätssicherung. Es geht um Fragen des Miteinanders von Haupt- und Ehrenamt. Es geht um Kommunikation und Information. Wir packen das jetzt an und wir werden die Maßnahmen umsetzen. Das bin ich den Betroffenen schuldig und auch deshalb gibt es das Trafo“, sagte der Bischof.  

Junge Leute sollen auch in Jahrzehnten noch Heimat in der Kirche finden

Die Atmosphäre bei der Veranstaltung hat auch Philipp Mühlau von der Jugendkirche Jona in Frankfurt begeistert. Er sagt: „Ich hatte schon damit gerechnet, dass wir alle stock und steif in Reihe sitzen und Spalierstehen, wenn der Bischof kommt“. Diese Befürchtung habe sich zum Glück nicht bewahrheitet. „Es ist komplett anders. Es ist locker, sehr prozessorientiert und fokussiert“, sagt der Jugendbildungsreferent. Er habe den Eindruck, sich gut einbringen und mitgestalten zu können. Dies sei wichtig, denn Jugendliche sollen auch in Jahrzehnten noch ihre Stimme in die Kirche einbringen und Heimat im Glauben finden können. Darum gehe es ihm. 

Für Pfarrer Andreas Fuchs ist der Kongress eine unheimlich spannende Angelegenheit. „Ich habe im Transformationsprogramm mitgearbeitet und bin dementsprechend gespannt, welche Resonanz es auf die Arbeitsergebnisse gibt“, so der Bezirksdekan des katholischen Bezirks Limburg. Für ihn hat Fredenhagen, die alte Industriehalle, etwas erschreckend Symbolhaftes. Hier habe der Niedergang einer Industrie stattgefunden. Das Gebäude habe als Eventlocation neues Leben bekommen. Auch in der Kirche sei der Niedergang klar erkennbar. Eine neue Gestalt müsse erst noch heranreifen. „Vielleicht kann der Kongress zu einer `Phönix aus der Asche Situation‘ werden und wir kommen anders aus den Beratungen heraus, als wir hereingegangen sind und die es bisher so nicht gab“, sagt Fuchs. Ihm sei es wichtig, dass beim Nachdenken über die Zukunft von Glaube und Kirche die Menschen einbezogen würden, die nicht mehr zum Kernbereich der Kirche gehörten. Er glaubt, dass man viel mehr nach relevanten Themen suchen und darüber mit den Menschen sprechen müsse. „Als Kirche müssen wir uns viel stärker unter die Menschen mischen. Wir haben die Aufgabe, ihnen das Evangelium näher zu bringen. Unsere künftigen Strukturen müssen weit sein und dürfen diesen Auftrag nicht zu sehr beschränken“, appelliert Fuchs. 

Als „ausgezeichnet“ hat Gerhard Glas die Stimmung und die Beratung beim Kongress erlebt. Er ist Mitglied in der Diözesanversammlung, im Diözesansynodalrat, im Kirchensteuerrat und hat im Transformationsprogramm mitgewirkt. Er resümiert: „Die Atmosphäre war sehr kreativ. Es waren viele Menschen miteinander im Gespräch, die sonst wenig Gelegenheit dazu haben. Wir haben sehr ernsthaft und kenntnisreich miteinander diskutiert.“ Ihm sei klar geworden, dass es im Transformationsprogramm in einigen Handlungsfeldern zu Ergebnissen gekommen sei, die schon sehr ausgearbeitet seien. Bei anderen Themen müsse man noch mal sehr grundsätzlich nacharbeiten. 

Vielfalt der Kirche erlebt

Genau dieses Nacharbeiten wird es nun geben, erklärt Juliane Schlaud-Wolf, Bischöfliche Beauftragte für Kirchenentwicklung. Der Kongress war der Auftakt, eine neue Form der Beratung auszuprobieren und der Beginn eines Beratungsweges, der nun weitergehe. Für sie war der Kongress ein voller Erfolg. „Ich habe so viele verschiedene Menschen, viele Perspektiven, viele Funktionen und Ideen erlebt. Ich habe Vielfalt erlebt“, so die Theologin. Die Industiehalle als Ort des Kongresses sei einfach cool gewesen. Sie wirke wie ein Rohbau, indem noch nichts fertig sei, so wie auch die Ergebnisse des Transformationsprogramms, die jetzt weiter bearbeitet würden.

„Wir müssen an alle Ergebnisse aus dem Transformationsprogramm der vergangenen zwei Jahre noch mal ran. Das war ja auch allen klar und das ist gut so“, erläutert auch Bischof Dr. Georg Bätzing. Für ihn war der Kongress eine wichtige Erfahrung und er sei sehr zufrieden mit der Beratung. Die Teilnehmenden hätten erlebt, dass sie wirklich mitgestalten könnten und dass im Vorfeld noch keine Entscheidungen getroffen worden seien. „Der Kongress war kein Fake. Ich meine es ernst und ich binde mich an die Ergebnisse aus der Beratung“, sagt Bätzing. Für ihn brauche es jetzt den guten Austausch in den kurialen und synodalen Gremien auf Entscheidungen hin. Es brauche eine Vergewisserung darüber, wo es inhaltlich hingehen solle und welche Schwerpunkte, aber auch Leichtpunkte, perspektivisch gesetzt werden sollten. „Die Ergebnisse müssen jetzt realitätstauglich gemacht werden. Dafür braucht es die Beteiligung vieler“, so Bätzing. 

Recap-Video vom 1. Trafo-Kongress am 29. und 30. Oktober 2021

Die katholische Kirche ist in der Krise. Es braucht grundlegende Veränderungen. Im Bistum Limburg gibt es dafür den Prozess der Kirchenentwicklung. Um Kirchenentwicklung auf allen Ebenen des Bistums zu ermöglichen, braucht es Strukturen, die den aktuellen Herausforderungen gerecht werden. Diese Strukturen sind notwendig und dennoch nicht ausreichend für die Zukunftsfähigkeit: Es braucht einen grundlegenden und umfassenden Kulturwandel. 

Das Transformationsprogramm hat in den Haltungen der Kirchenentwicklung Modelle für eine neue Struktur entwickelt: Ein Modell für das Bischöfliche Ordinariat und zwei Modelle für die dezentrale Struktur des Bistums. Ferner wurden die Handlungsfelder Leitungshandeln und innovative Kommunikation bearbeitet. Die Arbeitsweise entsprach der neuen Kultur des Miteinanders: dezernatsverbindend, hierarchieübergreifend, kollaborativ. Das Transformationsprogramm, Phase 1 des TRAFO, wurde am 30. September 2021 beendet. Im Oktober 2021 beginnt die Phase 2: „Beratung und Entscheidung“. Dann folgt ab Ostern 2022 die Phase 3: „Umsetzung“. 

Ziel des TRAFO: Das Bistum Limburg zukunftsfähig zu machen. Dafür zu sorgen, dass Kirche ihren Auftrag in der Gesellschaft erfüllen kann. Zudem soll eine Organisation und Struktur geschaffen werden, die sexuellen Missbrauch verhindert. Daher sind die Ergebnisse des MHG-Projektes "Betroffene hören-Missbrauch verhindern" eine grundlegende Perspektive für das Trafo. Weitere Informationen dazu gibt es im Internet unter: aufarbeitung.bistumlimburg.de

Nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen

Das es Kontroverse und nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen gab, war angesichts der Ernsthaftigkeit der Ergebnisse aus dem Transformationsprogramm und der Tragweite der Entscheidungen, die in den kommenden Monaten getroffen werden müssen, klar. „Es war gut, dass wir viel diskutieren konnten. Transformation verlangt von uns allen viel. Ich bin froh und gehe positiv gestimmt vom Kongress nach Hause. Ich habe erlebt, dass hier die richtigen Themen und Fragestellungen für die Zukunft der Kirche im Raum waren. Das zeigt mir, dass wir auf einem guten Weg sind“, resümiert David Schulke von der Villa Gründergeist im Bistum Limburg. 

„Die Richtung stimmt“, sagt auch David Heun von der Stabsstelle Inklusion in der Diözese. Er fahre total motiviert zurück. „Die Themen, die wir hier bearbeitet haben, werden uns weiterbringen und dafür sorgen, dass das Ehrenamt mehr unterstützt wird. Das wird der Kirche gut tun“, sagt Heun. 

Das Ehrenamt steht auch im Focus von Ingeborg Schillai. Sie ist die Präsidentin der Limburger Diözesanversammlung und steht somit an der Spitze der gewählten Vertretung der Laien im Bistum Limburg. „Wir müssen im Transformationsprozess noch ganz dicke Bretter bohren. Das Handlungsfeld kuriale und synodale Beratungs- und Entscheidungsprozesse hatte zu wenig Zeit bislang und hier müssen wir weiter ran“, sagt Schillai. Ihr ist wichtig, dass die Mandatsträger im Bistum wissen, dass sie weiter mitberaten und sich einbringen können. Noch seien keine Entscheidungen getroffen. 

Neben intensiven Beratungseinheiten gab es beim Kongress spirituelle, kulturelle und musikalische Elemente. Miriam Penkhues von der Villa Gründergeist und Ludger Bornemann, Seelsorger und Spiritual aus dem Bistum Münster, sorgten sich um ein stimmiges und ansprechendes geistliches Programm. Das Improvisationstheater „Improzess“ begeisterte die Teilnehmenden und hielt der Großgruppe gekonnt den Spiegel vor, indem sie den Kongress als externe Beobachter verfolgten. Diese Beobachterrolle hatte auch der Theologe Dr. Christoph Rüdesheim, der das Theologisch-Pastorale Institut (TPI) in Mainz leitet. 

Alle Ergebnisse, Modelle und Strategien aus dem Transformationsprogramm, die beim Trafo-Kongress beraten wurden, finden sich im Internet unter: www.trafo-bistumlimburg.de. Dort werden auch die Anregungen der Teilnehmenden des Kongresses transparent gemacht.

Stephan Schnelle

Pressesprecher

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