FRANKFURT, 06.10.2021
Wo Schätze gehoben und Diamanten entdeckt werden
Hermia Schlichtmann muss nicht lange überlegen, wenn es um ihren Lieblingsmoment in der Geschichte der Domschule geht. „Für mich war der Höhepunkt der Advent Carol Service 2019“, strahlt die Leiterin. „Diese beiden Auftritte damals im Advent – einer vom Knabenchor, einer vom Mädchenchor – waren einfach so grandios, so brillant, die Musikauswahl so wundervoll. Da sind die jungen Sängerinnen und Sänger über sich hinausgewachsen.“ Jeweils 40 bis 50 Jungen und Mädchen, Harfe, Streichorchester und Orgel: Noch immer ist Schlichtmann hingerissen, wenn sie an diese spektakulären Auftritte denkt. „Damals habe ich zum ersten Mal gespürt und gehört, welche Schätze ich in diesem Chor habe!“
Zehn Jahre gibt es die Domsingschule im September. Und eigentlich würde die Leiterin diesen Meilenstein gerne mit einem großen Geburtstagskonzert samt Orchester feiern. Doch wegen Corona geht das momentan nicht. Denn auch, wenn vielerorts die Kulturbetriebe derzeit wieder anlaufen – das Angebot der Domsingschule richtet sich an Kinder im Alter von fünf bis über 20 Jahren, und viele von ihnen sind noch ungeimpft. „Was Kinder betrifft, sind die Regeln deshalb noch sehr streng; wir sind sehr vorsichtig und verantwortungsvoll“, sagt Hermia Schlichtmann. Das führt dazu, dass nach wie vor in Kleinstgruppen geprobt werden muss, damit der vorgeschriebene Abstand eingehalten werden kann. Glücklich ist die Leiterin, dass bislang fast alle Mädchen und Jungen dabei geblieben sind, auch wenn das Chorleben sich durch die Einschränkungen gründlich geändert hat.
Eine Frankfurter Edition
Um das zehnjährige Bestehen trotz allem angemessen zu feiern, möchten Schlichtmann, zuständig für den Knabenchor, und ihr neuer Kollege Johannes Wilhelmi, Leiter des Mädchenchors, eine Edition mit Notenheften herausgegeben, die speziell für die Domsingschule in den letzten Jahren arrangiert wurden. Die Reihe soll 20 bis 30 Lieder umfassen und noch in diesem Jahr erscheinen.
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Hermia Schlichtmann versucht, im Geburtstagsjahr, aber auch generell in der Pandemie, nicht zu sehr an das zu denken, was hätte sein können. Und das wäre eine ganze Menge gewesen. Zum Beispiel erhielten die Chöre der Domsingschule nach ihrem fulminanten Auftritt im Advent 2019 Einladungen nach Ilbenstadt, Bad Nauheim, England und sogar Amerika – doch wegen Corona konnten die Besuche nicht stattfinden. Eine große Enttäuschung für die jungen Gesangstalente. Aber Hermia Schlichtmann und Johannes Wilhelmi versuchen, ihre Mädchen und Jungen zu motivieren, Pläne für die Zukunft zu schmieden und sich derweil auf das zu konzentrieren, was mit Abstand wieder möglich ist – zum Beispiel Auftritte im Dom, in St. Bernhard, St. Leonhard oder Allerheiligen.
Dom bleibt Priorität
Ein Novum für die Chöre, die normalerweise ausschließlich im Dom auftreten. Und eine wunderbare Möglichkeit, trotzdem weiter regelmäßig aufzutreten. Auch wenn vereinzelt Eltern noch zögerlich seien, gebe es zunehmend andere, die sich über die Möglichkeit eines Live-Auftritts freuten. Die Leiterin kann sich vorstellen, das Singen in anderen Kirchen auch über die Pandemie hinaus beizubehalten und den Blick sogar noch ferner zu richten: „Unsere Priorität wird der Dom bleiben, aber darüber hinaus möchten wir auch in anderen Frankfurter Kirchen und in Kirchen außerhalb Frankfurts singen, an anderen öffentlichen Orten – und gerne auch auf Reisen gehen, wenn das wieder möglich ist.“

Etwas anderes, das auch über Corona hinaus erhalten bleiben wird, ist die Gesangsanlage, die während der Pandemie angeschafft wurde, damit die Stimmen der weit auseinanderstehenden Sängerinnen und Sänger gebündelt werden können.
Generell blickt man in der Domsingschule mittlerweile wieder optimistischer in die Zukunft. So berichtet Schlichtmann, sie und ihr Team hätten während der Corona-Monate wahre „Schätze“ entdecken können. „Denn durchs Proben in Kleinstgruppen – 30 Minuten mit nur wenigen Singenden – haben wir jede und jeden menschlich und stimmlich sehr gut kennengelernt und dabei einige Diamanten gefunden“, sagt sie. Und auch die Möglichkeit, acht neue Kantorinnen und Kantoren per Zoom domintern auszubilden und dabei interessante Erfahrungen zu machen, gab es nur aufgrund der Pandemie.
Doch natürlich freut Hermia Schlichtmann sich auf den Tag, an dem der ganz alltägliche Proben- und Konzertbetrieb wieder erlaubt ist – und der Rückkehr der Normalität mit einem wunderbaren Konzert gefeiert werden kann. „Vielleicht können wir dann auch die Einladungen nachholen“, hofft sie.
Die Geschichte der Frankfurter Domsingschule
2007 beschließt der Verein Frankfurter Brücken e.V. ein neues Projekt: die Gründung eines Knabenchors. Vorbilder sind der Knabenchor der Thomaner in Leipzig und die Limburger Domsingknaben.
2009 sagt der damalige Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst in einem Gespräch mit den Frankfurter Brücken e. V. die Unterstützung des Bistums für die Gründung eines Knabenchores und eines Mädchenchors am Frankfurter Dom zu. Am 17. November 2009 gründen Mitglieder der Frankfurter Brücken e. V. den Förderverein Frankfurter Domsingschule e.V.
2010 tritt Stadtdekan Johannes zu Eltz sein Amt an und unterstützt die Bemühungen zur Chorgründung nachhaltig. Der Förderverein Frankfurter Domsingschule e.V. wird als gemeinnützig anerkannt und nimmt seine Tätigkeit auf.
2011 übernimmt Oberbürgermeisterin Petra Roth die Schirmherrschaft des Projekts. Andreas Boltz nimmt seine Tätigkeit als Dommusikdirektor am Frankfurter Kaiserdom St. Bartholomäus auf und beginnt mit dem Aufbau der neuen Frankfurter Domsingschule mit chorischem Angebot für Jungen und Mädchen. In einer Pressekonferenz mit Kirchendezernent Uwe Becker wird die neue Frankfurter Domsingschule der Öffentlichkeit vorgestellt. Freunde und Förderer unterstützen die Renovierung der Aufenthaltsräume für die Domsingschule. Die Proben beginnen, es folgt der erste Auftritt der Frankfurter Domsingschule im Bartholomäusdom.
2013 gab es den ersten Evensong der Frankfurter Domsingschule. Der monatliche Evensong kommt aus der anglikanischen Tradition und verbinden Elemente aus Vesper und Komplet zu einem gesungenen Abendlob. Am Dom St. Bartholomäus steht er, genauso wie der ebenfalls aus England stammende Advent Carol Service (3. und 4. Advent), im besonderen Zeichen der Ökumene und wird gemeinsam in enger kollegialer und erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Frankfurter Bläserschule (Leitung Sunhild Pfeiffer) gestaltet.
Seit 2015 legt der Förderverein mit Erfolg die finanzielle Basis der Frankfurter Domsingschule und bemüht sich intensiv um angemessene neue Räume für die Frankfurter Domsingschule und die Frankfurter Bläserschule.
2020 übernimmt Hermia Schlichtmann, die 2019 als Domkantorin und Leiterin des Knabenchors zur Domsingschule kam, die Leitung.
2020 zieht das Büro der Domsingschule von den zu klein gewordenen Räumen im Dom in ein neues Büro. Das neue Domizil liegt genau gegenüber des Doms.
Weitere Informationen: www.frankfurter-domsingschule.de