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WETZLAR, 07.04.2022

Warten auf die Pilger

Die Corona-Pandemie hat die Situation im Heiligen Land verschärft. Einrichtungen und Projekte sind auf Pilgergruppen angewiesen, berichtet DVHL-Diözesanvorsitzender Diakon Norbert Hark.

Die Corona-Pandemie hat die Situation der Menschen im Heiligen Land verschärft. Einrichtungen und Projekte sind auf Pilgergruppen angewiesen, berichtet der Diözesanvorsitzendes des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande (DVHL), Diakon Norbert Hark.  

Herr Diakon Hark, Sie sind Diözesanvorsitzender des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande und waren vor kurzem mit einer Gruppe dort unterwegs. Rund um Ostern besuchen üblicherweise besonders viele Pilger das Heilige Land mit seinen biblischen Stätten. Wie haben Sie die Reise wahrgenommen? 

Unsere Pilgergruppe war eine der ersten Gruppen im Hl. Land seit Ausbruch der Pandemie. Raed, unser Guide, ein Palästinenser, hatte zwei Jahre lang keinen Verdienst, weil er keine Gruppe begleiten konnte. Man merkte sehr, wie glücklich er und unser Busfahrer Halid waren, dass wir gekommen sind. Pilgergruppen sind eine wichtige Verdienstquelle für Palästinenser und erst allmählich kommen wieder Gruppen in das Heilige Land. Es war zum Beispiel relativ leer an der Geburtsgrotte Jesu in der Geburtskirche. Dort wartet man sonst stundenlang, dieses Jahr musste die Gruppe keine halbe Stunde anstehen. Als ich abends zu einem zweiten Besuch mit meiner Frau zur Grotte ging, waren wir ganz alleine. Das habe ich noch nie erlebt. Man merkt, dass das Land geradezu auf Besucher und Pilger wartet.

Unsere Gruppe war eine ökumenische Gruppe mit katholischen, evangelischen und baptistischen Christen. Das hat den Besuch auch spannend gemacht. Einer der schönsten Momente war für mich die Tauferneuerung am Jordan. Wir haben eine Eucharistiefeier in der Grabeskirche besucht und in einem Garten am Ölberg Abendmahl gefeiert. Immer waren diese Gottesdienste sehr eindrucksvoll, auch weil es nur wenige andere Besucher um uns herum gab.

In den letzten zwei Jahren sind sehr viel weniger Pilger gekommen. Diese besuchen ja auch verschiedene Einrichtungen und Projekte. Was bedeutet es für diese Projekte, wenn Pilgergruppen ausbleiben?  

Das hat zwei Seiten. Die eine sind die Pilgerherbergen selber. Ich bin im Augenblick im Paulushaus. Das Haus ist fast leer und nur wenige Zimmer sind belegt. Das ist für diese Jahreszeit sehr ungewöhnlich. Das hat Auswirkungen für die Mitarbeitenden in diesen Häusern. Die Finanzierung dieser Häuser wird zu einem ganz erheblichen Problem für die Träger. Die andere Seite ist, dass mit Hilfe von Pilgerfahrten auch Hilfsprojekte unterstützt werden. Mit der Gruppe haben wir zum Beispiel das Caritas Baby Hospital in Bethlehem besucht. Das Haus lebt komplett von Spenden und muss im Jahr 12 Millionen Euro zusammenkriegen. Wenn Pilgergruppen ausbleiben, bleibt eine Einnahmequelle aus und die Einrichtung hat es schwerer, bekannt zu bleiben. Ich war auch im Beit Emmaus in Qubeibeh. Das ist eine Behinderteneinrichtung und Pflegeschule des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande im besetzten Westjordanland. Der normale Betrieb läuft dort unter den Bedingungen der Pandemie weiter, aber es gab in den letzten zwei Jahren kaum Besucher. Also wird auch dort die Finanzierung zunehmend schwieriger.

Sie haben jetzt schon unterschiedliche Einrichtungen des DVHL benannt. Was leisten diese Einrichtungen konkret? 

Es gibt zwei verschiedene Arten von Einrichtungen. Pilgerhäuser unterstützen Pilgerende im Hl. Land. Andere Einrichtungen und Projekte reagieren die auf verschiedene Notlagen in Israel und Palästina. Das Beit Emmaus in Qubeibeh ist eine Einrichtung für Frauen, die behindert oder alt sind und es sehr schwer haben, einen Ort in der palästinensischen Gesellschaft zu finden. Die Leiterin Sr. Hildegard hat uns von drei jungen Frauen einer Familie berichtet, die vor wenigen Tagen dort aufgenommen wurden und völlig traumatisiert sind. Vermutlich waren sie sexueller Gewalt ausgesetzt. Eine andere junge Frau, die schwerbehindert ist, haben die Mitarbeitenden in einem Hühnerstall eingesperrt gefunden. Als sie nach Qubeibeh kam, konnte sie weder laufen noch sprechen. Wir durften sehen, wie sie in Begleitung vom Pflegepersonal zu einem Spaziergang in den Garten aufbrach. Das Haus ist wirklich ein Rückzugsort für diejenigen, die ganz unten auf der sozialen Leiter stehen.

Die Bildungsarbeit und Unterstützung von Frauen ist eine andere Aufgabe des DVHL. In der Schmidt-Schule in der Nähe der Altstadt von Jerusalem werden palästinensische Mädchen auf das palästinensische oder das deutsche Abitur vorbereitet. Sie erreichen so einen hohen Bildungsabschluss und haben eine gute Perspektive, in der Zukunft anerkannte Berufe auszuüben. In meinen Augen leisten die Lehrpersonen in dieser Schule einen ganz erheblichen Beitrag für eine gute Zukunft von Frauen in Palästina. Über solche Einrichtungen verändert sich dann auch langsam die Gesellschaft.
Eine weitere Einrichtung, die mich beeindruckt hat, war Sounds of Palestine in Bethlehem. Hier bekommen Kinder aus einem Flüchtlingslager eine Mahlzeit, lernen auf einem Musikinstrument zu spielen und machen gemeinsam Musik. Durch die Arbeit mit Musik werden soziale Kompetenzen vermittelt und Zusammenhalt erfahrbar. Das ist zwar kein eigenes Projekt des DVHL, wird aber maßgeblich von ihm unterstützt. Kinder aus Flüchtlingslagern in Bethlehem finden bei Sounds of Palestine eine Chance, die sich ihnen sonst nur selten bietet.

Was bedeuten solche Einrichtungen und Projekte für das Zusammenleben von Juden, Muslimen und Christen? Gerade christliche und muslimische Araber gelten ja als Bürger zweiter Klasse in Israel. 

Wir wollen mit unseren Projekten vor allem Menschen in prekären Lebenslagen unterstützen, für die sonst niemand da ist. Kinder aus Flüchtlingslagern erhalten in Bethlehem eine Bleibe, unabhängig davon, ob sie Muslime oder Christen sind. Ähnlich ist es im Beit Emmaus in Qubeibeh. Das Zusammenleben zwischen Juden, Muslimen und Christen ist konfliktreich. Brücken zu bauen ist wirklich schwierig. Die Projekte und Initiativen bewirken eine Bewusstseinsveränderung, die allerdings nur langfristig Veränderungen bewirken kann.

Christen sind eine kleine Minderheit im Heiligen Land. Hat die Pandemie deren Lage noch verschärft? 

Die Pandemie hatte auf jeden Fall für alle Palästinenser schwerwiegende wirtschaftliche Folgen. Das hat auch damit zu tun, weil die wirtschaftliche Existenz vieler Palästinenser oft am Tourismus hängt. Die gewachsene Not schürt natürlich auch die sozialen Spannungen und die Unzufriedenheit bestimmter Gruppen. 

Die Zukunft im Heiligen Land steht also unter keinen guten Vorzeichen …  

Die Lage ist ausgesprochen komplex und nicht kalkulierbar. Zum Beginn des Ramadan gab es letztes Jahr Unruhen und Gewaltausbrüche, die zu einem 10-tägigen Krieg führten. Viele haben auch dieses Jahr große Sorgen und hoffen, dass es nicht zu weiterer Gewalt kommt. Am Samstag hat der diesjährige Ramadan begonnen, also eine sensible Zeit. Ich konnte gestern nachts von meinem Zimmer aus beobachten, wie einige hundert junge Männer am Damaskustor, viele sind noch pubertierende Jugendliche, mit den Sicherheitskräften Katz und Maus spielen. Da wurde ein Container in Brand gesetzt, Flaschen und Feuerwerkskörper geworfen und immer wieder scheuchten Sicherheitskräfte die Menge die Straße hinunter, also fort vom Damaskustor. Es ging über zwei Stunden hin und her. Man muss sich vorstellen, dass diese Auseinandersetzung zwischen der Polizei und den Jugendlichen mitten im Straßenverkehr, zwischen Verkaufsständen und unbeteiligten Muslimen stattfinden. Ich jedenfalls bin vorsichtig mit Prognosen über die Zukunft des Heiligen Landes.

Mein Eindruck ist aber, dass Menschen, die aus Deutschland zu Besuch kommen, nicht in ihrer Sicherheit beeinträchtig sind. Natürlich ist es nicht angenehm durch Kontrollen zu gehen, wenn man etwa die Klagemauer besuchen möchte. Ich habe mich weder in diesem Jahr noch bei früheren Besuchen bedroht oder bedrängt gefühlt. Schon im kommenden Jahr werde ich wieder mit einer Pilgergruppe über Ostern im Heiligen Land sein.

Die deutschen katholischen Bischöfe rufen zur Unterstützung der Christen im Heiligen Land auf. Die Kollekte am Palmsonntag ist für die Arbeit des DVHL und den Menschen dort bestimmt. 

Spendenkonto: 
Deutscher Verein vom Heiligen Lande
IBAN: DE81 3706 0193 0021 9900 19
BIC: GENODED1PAX

Oder online unter www. dvhl.de/spenden 

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