Suchwort eingeben

BONN, 21.02.2022

Tätigkeitsbericht 2021 der UKA vorgestellt – Betroffenenbeirat enttäuscht

Im ersten Jahr hat die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) über Geldleistungen in Höhe von 12,89 Millionen Euro entschieden. Trotzdem bleiben die Zahlungen deutlich hinter den Erwartungen des Betroffenenbeirats zurück.

Die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) hat am Freitag, 18. Februar 2022, ihren Tätigkeitsbericht für das Jahr 2021 vorgelegt. Grundlage der Arbeit der UKA ist die von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) erlassene Verfahrensordnung, in der die Kommission – ein unabhängiges Gremium von Fachleuten – nach intensiver Einzelfallberatung auf der Basis der vorliegenden Anträge Anerkennungsleistungen festlegt. Die Leistungen orientieren sich am oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zuerkannten Schmerzensgelder. Der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz ist über Form und Inhalt des Berichts bestürzt. Er kritisierte den Bericht in einer Stellungnahme. Mit seiner Fixierung auf Zahlen werde der Bericht weder der Situation noch dem Anliegen der von sexuellem Missbrauch Betroffenen in der katholischen Kirche gerecht.

Einblick in die Arbeit der UKA

Der Tätigkeitsbericht erläutert die Arbeit des Jahres 2021 in 16 Schaubildern und erläuternden Texten. Sylke Schruff, Referentin in der Geschäftsstelle der UKA, berichtet, dass im Jahr 2021 insgesamt 1.565 Anträge auf Anerkennungsleistungen in der Geschäftsstelle eingegangen seien, davon alleine 975 Anträge in den ersten vier Monaten. In etwa zwei Dritteln der Fälle habe es sich um Folgeanträge zum früheren Verfahren der Zentralen Koordinierungsstelle (ZKS) aus den Jahren von 2011 bis 2020 gehandelt. Die Zahl der noch nicht entschiedenen Anträge habe am Jahresende bei 949 gelegen.

Die UKA habe im Jahr 2021 in 606 Fällen auf Anerkennungsleistungen von insgesamt 12.890.200 Euro entschieden. Abzüglich der vorher durch die kirchlichen Institutionen, auch im Zusammenhang mit dem Verfahren der ZKS, gezahlten Beträge in Höhe von 3,5 Millionen Euro seien bisher knapp 9,4 Millionen Euro direkt durch die UKA ausgezahlt worden.

„Der Einzelfall darf nicht aus dem Blick geraten“

Die UKA-Vorsitzende Margarete Reske berichtet, dass 128 Anträge priorisiert worden seien, beispielsweise wegen hohen Alters oder schwerer Erkrankung des oder der Betroffenen. Sie betont, der Bericht stelle angesichts der Anlaufphase Anfang des Jahres 2021 eine Momentaufnahme dar, die keine endgültigen Schlüsse auf den Verlauf des Jahres 2022 zulasse. Die Entwicklung sei sehr stark im Fluss. Wichtig sei auch, dass die UKA in etwa 47 Fällen (acht Prozent der Anträge) Anerkennungsleistungen über 50.000 Euro ausgesprochen habe. Diese Möglichkeit sehe die Verfahrensordnung vor. Die Zustimmung der kirchlichen Institution, die hierzu erteilt werden müsse, sei in allen Fällen gegeben worden, so Reske. Sie fügt hinzu: „Über das Zahlenwerk darf keinesfalls der Einzelfall aus dem Blick geraten. Jeder Antrag wird durch die Vorsitzenden und die jeweiligen Berichterstatter intensiv vorbereitet und in der Sitzung gemeinsam begründungstief beraten. Mit den Mitgliedern der UKA hoffe ich, dass auf diese Weise das unermessliche Leid der Betroffenen eine Anerkennung erfährt, das ihnen aus der katholischen Kirche heraus in ihrer Jugend zugefügt wurde und das sich auf ihr ganzes Leben auswirkt.“

Der Bericht bemühe sich um Transparenz, schreibt der Betroffenenbeirat. Jedoch brauche es diese Transparenz im Leistungsgeschehen des Systems. Hier weise der Bericht erhebliche Mängel auf. Es fehlten nachvollziehbare Daten zum Leistungvolumen. Der Bericht zeige auch, dass die große Zahl der Leistungsbescheide weit unter der oft angezogenen Summe von 50.000 Euro bleibe. Damit bestätige der  UKA-Bericht, dass das Anerkennungssystem seinem Anspruch und seiner Aufgabe nur in einem kleinen Teil der Vorgänge gerecht werde. Weiter heißt es in der Stellungnahme des Betroffenenbeirats: „Wenn die Bischöfe nicht schnell eine bedeutende Verbesserung des Anerkennungssystems beschließen, werden sie auch die Verantwortung für fortgesetzte und weitere Traumatisierungen tragen müssen. Die UKA wird sich dann aber auch die Frage stellen müssen, ob sie dauerhaft zu den Ergebnissen ihrer Arbeit stehen kann. Damit soll weder die Unabhängigkeit noch die regelkonforme Umsetzung der Verfahrensordnung infrage gestellt werden. Doch muss sich die UKA bei unveränderter Fortführung des Systems klarer und vernehmbarer positionieren. Ansonsten setzt sie sich zwangsläufig dem Vorwurf aus, Erfüllungsgehilfe einer Bischofskonferenz zu sein, die immer noch auf der Suche nach einer billigen Problemlösung zu sein scheint.“ Es brauche jetzt Entscheidungen, die in der Anerkennung des erlittenen Leids zu einem glaubhaften Zeugnis einer wirklichen Haltungsänderung würden.

Den Bericht finden Sie hier.

Hintergrund UKA:

Die Mitglieder der UKA stehen in keinem Anstellungs- und Abhängigkeitsverhältnis zu der katholischen Kirche und arbeiten weisungsunabhängig. Die UKA nimmt grundsätzlich nur von kirchlichen Institutionen oder den dort benannten Ansprechpersonen übersandte Anträge auf Leistungen in Anerkennung des Leids von sexuellem Missbrauch Betroffener entgegen und entscheidet über die Höhe der Leistungen, die ausgezahlt werden. Die UKA ist bundesweit tätig, sodass es bundesweit im Sinne einer Gleichbehandlung zu vergleichbaren Entscheidungen kommt. Der Begriff des sexuellen Missbrauchs im Sinne der Ordnung umfasst dabei sowohl strafbare als auch nicht strafbare sexualbezogene Handlungen und Grenzverletzungen. Leistungsanträge sind auch für Betroffene möglich, die bereits auf Empfehlung der Zentralen Koordinierungsstelle und auf der Basis damals niedriger vorgesehener Anerkennungsbeträge Zahlungen erhalten haben (sogenannte Altanträge). Die aktuelle Ordnung des Verfahrens ermöglicht der UKA zusätzlich, einstimmig in kleineren Spruchkörpern (sogenannten Kammern) zu entscheiden. Bei grundsätzlichen Fragen oder strittigen Entscheidungen müssen wie bisher weiter mindestens fünf Mitglieder der UKA zusammenkommen, um beschlussfähig zu sein. In den Sitzungen der Kommission ist eine interdisziplinäre Beratung und gründliche Prüfung jedes Antrags auch weiterhin die Grundvoraussetzung für eine angemessene und ausgewogene Entscheidung der UKA.

Hintergrund Betroffenenbeirat:

Der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz besteht aus 12 Personen, die von sexualisierter Gewalt und Missbrauch im Zuständigkeitsbereich der katholischen Kirche betroffen sind. Die Mitglieder sind durch den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz berufen; sie sollen die Bischofskonferenz in Fragen des Missbrauchs und der sexualisierten Gewalt beraten, aber auch eigene Initiativen und Sichtweisen aus der spezifischen Sichtweise der Betroffenen einbringen. Der Betroffenenbeirat hat sich im Oktober/November 2020 konstituiert; die Amtszeit beträgt drei Jahre.

Zum Anfang der Seite springen