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LIMBURG, 19.01.2022

Unabhängige Ombudsstellen für alle Kinder und Jugendliche schaffen

Im Interview spricht Diözesancaritasdirektor Jörg Klärner über die Umsetzung eines Implementierungsauftrags aus dem MHG-Folgeprojekt „Betroffene hören – Missbrauch verhindern“.

Jörg Klärner, Vorstandsmitglied des Caritasverbandes für die Diözese Limburg e.V., verantwortet die Umsetzung eines Implementierungsauftrags aus dem umfangreichen Maßnahmenkatalogs, der im Rahmen des MHG-Folgeprojektes „Betroffene hören – Missbrauch verhindern“ entstanden ist. Um was es dabei genau geht, erklärt er in einem kurzen Interview.

Herr Klärner, für welchen Implementierungsauftrag tragen Sie die Verantwortung? Und was ist das Ziel der Maßnahme?

Als Caritasverband für die Diözese Limburg haben wir die Verantwortung für die Umsetzung des Implementierungsauftrags, „eine externe Ombudsstelle im Bistum Limburg speziell für Kinder und Jugendliche zu schaffen“.  Allgemein wird mit der Begriff einer Ombudsstelle mit Beschwerde- und Schlichtungsstelle übersetzt. Für uns ist wichtig und so steht es auch im Implementierungsauftrag, dass die einzurichtende Ombudsstelle einen umfassenden Auftrag hat, nämlich eine unabhängige Anlaufstelle für alle Kinder und Jugendlichen zu sein. Bei den Überlegungen, wie Kinder- und Jugendliche vor sexueller und anderen Formen von Gewalt geschützt werden können, und wie die Kultur der Achtsamkeit auch strukturell gestärkt werden kann, ist es folgerichtig, die Idee einer ombudschaftlichen Vertretung aufzugreifen.

Ziel ist es, für von sexualisierter und anderen Formen von Gewalt betroffenen Kindern und Jugendlichen, egal ob selbst betroffen oder als Zeuge, niederschwellige unabhängige Anlaufstellen zu schaffen. Die Ergebnisse der MHG-Studie zeigen deutlich auf, dass eine solche Anlaufstelle nicht innerhalb der kirchlichen Strukturen verortet sein kann. Die Einrichtung einer solchen externen Anlaufstelle  für Kinder und Jugendlichen im Bistum Limburg liegt uns sehr am Herzen.

Der Diözesancaritasverband ist auf diesem Gebiet aber auch schon vor dem MHG-Folgeprojekt des Bistums, das 2020 den Maßnahmenkatalog vorgelegt hat, aktiv? Wie genau sind da die Hintergründe?

Ja, als Caritasverband haben wir 2012 gemeinsam mit, sprich Caritas und Diakonie in Hessen, das erste Projekt zum Angebot einer Ombudsstelle gestartet. Aus diesem Projekt ging 2016 die Gründung des Vereins „Ombudsstelle für Kinder- und Jugendrechte in Hessen e.V.“ hervor, in dem sich die in der LIGA Hessen zusammengeschlossenen Wohlfahrtsverbände sowie viele weitere Träger der Jugendhilfe und auch Einzelpersonen engagieren.

Die Notwendigkeit ombudschaftlicher Vertretung fußt auf der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonventionen und natürlich haben auch die Forderungen des „Runden Tischs -Heimerziehung“ deutlich benannt, dass es externe und unabhängige Anlaufstellen für Kinder  und Jugendliche braucht. Neben der Beratung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen ist aber auch die altersgerechte Information über Kinderrechte sowie die Forderung und Förderung von Partizipation von Kindern und Jugendlichen wesentliches Element von Prävention.

Was ist aus Ihrer Sicht für Kinder und Jugendliche besonders wichtig?

Das, was ich eingangs schon gesagt habe: Jedes Kind und jeder Jugendliche braucht eine vertrauenswürde Anlaufstelle, das heißt außerhalb der jeweiligen Organisation, Institution oder Familie. Wichtig ist gleichzeitig aber auch, Kinder und Jugendliche in der Wahrnehmung ihrer Rechte zu stärken und sie zu unterstützen, ihrer eigenen Wahrnehmung zu vertrauen. Dies gilt für Kitas, insbesondere aber auch für Schulen und auch die Jugendarbeit beispielsweise in den Pfarreien.

In der Arbeit der Ombudsstelle des Vereins wurde sehr deutlich, dass dabei niederschwellige Zugänge geschaffen werden müssen. Ein Netz vertrauenswürdiger Ansprechpersonen, die im Bedarfsfall begleiten und unterstützen, wurde geschaffen. Gleichzeitig ist sowohl pädagogische als auch juristische Expertise gefragt.

Um alle Kinder und Jugendlichen zu erreichen, ist eine gute Öffentlichkeitsarbeit notwendig, die nicht nur auf die Ombudsstelle hinweist, sondern eben auch im Sinne von Prävention über Kinderrechte und Partizipation aufklärt und diese einfordert.

Und wenn wir Partizipation ernst nehmen, bedeutet dies natürlich auch, dass wir die Perspektive von Kindern und Jugendlichen ernst nehmen und diese an der Entwicklung einer Ombudsstelle beteiligen. Verbindliche Strukturen zur Beteiligung sind in allen Institutionen und Organisationen zu schaffen. Dies beginnt bereits in der Kita und setzt sich in der Schule sowie in Vereinen und Freizeitangeboten fort.

Wie sehen Sie die Aufgabe der Kirche in diesem Kontext?

Unsere Aufgabe als Kirche ist es, nicht eigene Strukturen innerhalb unserer kirchlichen Bezüge zu schaffen, die exklusiv für unsere Mitglieder da sind, sondern dafür zu sorgen, dass Kinder und Jugendrechte universal gelten und wir als Kirche eine Beitrag dazu leisten, dass alle Kinder und Jugendliche in unserer Gesellschaft diese Rechte zugebilligt bekommen. Da wir als Kirche nicht selbst eine externe Ombudsstelle einrichten können, dies wäre ein Widerspruch zur Unabhängigkeit, unterstützen wir die aktuellen Entwicklungen, die die Einrichtung von unabhängigen Ombudsstellen vorsehen.

In der Novellierung des SGB VIII ist unter §9a nun endlich verbindlich auf Bundesebene geregelt, dass die Länder unabhängige Ombudsstellen für Kinder, Jugendliche und deren Familien zu errichten haben. In Hessen wurde im Frühjahr 2021 „Klärungsprozess zur Ombudsfrage in Hessen“ und damit ein breiter, partizipativ angelegter Diskussionsprozess, an dem auch wir uns als Caritasverband für die Diözese Limburg und als Hessen-Caritas beteiligt haben, gestartet. Aktuell arbeitet eine aus diesem Prozess hervorgegangene kleine Expert*innengruppe an einem Modell und einem Konzept für eine unabhängige Ombudsstelle in Hessen. Dabei werden auch die Erfahrungen des Projekts und des Vereins der Ombudsstelle für Kinder- und Jugendrechte in Hessen e.V. eingebracht.

Als Caritas begrüßen wir diesen Prozess in Hessen sehr und sehen den Ergebnissen, die voraussichtlich im Frühjahr 2022 vorliegen werden, mit Spannung und auch Optimismus entgegen. Auf jeden Fall werden wir uns weiterhin für die Rechte von allen Kindern und Jugendlichen einsetzen und unsere Expertise in die Entwicklungen und Umsetzung von unabhängigen Ombudsstellen einbringen. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass auf diesem Weg zum Bündnis die eigenen Aktivitäten zum Schutz und zum Aufbau einer Kultur der Achtsamkeit nicht nachlassen. Kinder und Jugendliche vor Missachtung, Missbrauch und Gewalt zu schützen ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben, die unabhängig von Ombudsstellen jederzeit und immer besteht.

(DiCV Limburg)

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