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KOBLENZ, 23.07.2023

Den Aufbruch wagen

Heimspiel für Bischof Georg: In Koblenz feierte er das 125-jährige Jubiläum der Josefskirche. Hier war er vor 35 Kaplan.

Mut zum Experimentieren, gute Ideen, um Menschen neu für Gott zu begeistern und Gottvertrauen. Dies wünschte Bischof Dr. Georg Bätzing den Gläubigen der Pfarrei St. Josef in Koblenz. Am Sonntag, 23. Juli, war der Bischof von Limburg und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in der Rhein-Mosel-Stadt zu Gast und feierte den Festgottesdienst zum 125-Jährigen Jubiläum der Pfarrkirche. Bätzing ist in der Pfarrei gut bekannt. Vor 35 Jahren war er in St. Josef Kaplan.

„Vor 125 Jahren stand die katholische Kirche in dieser Stadt nach den bedrückenden Zeiten des Kulturkampfs gefühlt vor einer großen Wachstumsepoche“, sagte Bätzing. Die Bevölkerung sei rasch gewachsen und nachhaltig durch Industrialisierung und Dienstleistungsangebote geprägt worden. Die prächtige Josefskirche sei der Mittelpunkt der sich entwickelnden Koblenzer-Südstadt geworden und zu einem Symbol eines neuen Selbstbewusstseins von Katholikinnen und Katholiken im Rheinland innerhalb des protestantischen preußischen Staates.

Kirchen sind nicht mehr Meinungsführer

Heute sei eine andere Realität zu erleben. Weniger als die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland gehöhrten noch zu einer der beiden großen christlichen Konfessionen. Dieses Faktum zeige in allen Bereichen seine Wirkung, auch in den religionspolitischen Debatten um Kirchensteuern, Staatsleistungen, im kooperativen Miteinander von Kirche und öffentlichen Stellen bei Erziehungs-, Bildungs- und Sozialeinrichtungen oder im Blick auf das Recht der Kirche, ihre Angelegenheiten, etwa das Arbeitsrecht, eigenständig regeln zu können. Es zeige sich in den erschreckend hohen Kirchenaustrittszahlen und vor allem in den großen ethischen Debatten, wie der um assistierten Suizid oder Schwangerschaftsabbruch und deren gesetzliche Regelungen, die aktuell geführt würden. „Da werden wir mit unserer christlich begründeten Argumentation lange schon nicht mehr als Meinungsführer wahrgenommen, geschweige denn als solche akzeptiert aufgrund des Vertrauensverlustes, den wir uns selbst durch den Umgang mit sexuellem Missbrauch und jahrzehntelange Vertuschungsstrategien zuzuschreiben haben“, so der Bischof in seiner Predigt.

Dieser Wandel und der Relevanzverlust der Kirche sei auch auf Ebene der Pfarreien wahrzunehmen. Die alten Strukturen trügen nicht mehr und Konkurrenz zwischen Kirchorten oder Pfarreien sei gewiss vergeudete Liebesmühe und Energie. „Das alte Gefüge taugt nicht mehr für die Zukunft. Das alles bedeutet nicht das Ende der Kirche, da bin ich mir sicher, wohl aber das Ende eben einer bestimmten institutionellen Gestalt von Kirche, die für gerade mal 100 Jahre prägend war, von der wir aber den Eindruck haben, es sei doch immer so gewesen und sollte eigentlich auch so bleiben“, sagte Bätzing.

Die Vergangenheit rettet die Kirche nicht

Es helfe nichts, die Augen vor der Realität und der Kirchenkrise zu verschließen. Die Vergangenheit rette die Kirche nicht, auch wenn sie von nicht wenigen verklärt als Blütezeit wahrgenommen worden sei. Es habe zwar gut besuchte Gottesdienste, eine intakte Jugendarbeit mit Pfadfindern und Messdienern, viele Ehrenamtliche und auch geistliche Berufungen gegeben. Es habe in dieser Zeit aber auch Machtmissbrauch und Unfreiheit gegeben, die einer selbstbestimmten religiöse Entwicklung und echten Gottesglauben eher behindert als gefördert hätten.

Heute stünde die Kirche in Zeiten der Aussaat. „Neue Ideen braucht es, wie wir Kirche anders gründen, Menschen auf neue Weise ansprechen können für die grundlegenden Vollzüge des Gottesdienstes, der Verkündigung und des selbstlosen Dienstes“, so Bätzing. Es brauche Mut zum Experimentieren und Menschen mit Mut, die das Experiment wagen, gegen den Widerstand derer, die immer nur einwendeten, dass man dies noch nie so gemacht habe und man schon sehen werde, dass es nichts bringe.

Fangt an!

Die Botschaft Jesu sei eine andere. Er ermutige, es zu versuchen und anzufangen. „Jesus meint: Es geht. Fangt an. Bringt Saat aus. Sprecht von Eurer eigenen Erfahrung mit Gott. Fangt an zu beten, persönlich und jeden Tag. Schlagt die Heilige Schrift auf, am besten lest sie gemeinsam und deutet sie von eurem Alltag her. Geht raus zu den Menschen sucht Christus dort, in ihren Sorgen und Freuden. Bleibt nicht unter Euch. Kommt zusammen, um Gott zu danken und Euch stärken zu lassen durch die Eucharistie“, rief Bätzing den hunderten Gläubigen zu. Dieser Aufbruch werde nicht ohne Konflikte gelingen. Es lohne sich aber, den Aufbruch zu wagen und auf Gott zu vertrauen. „Der Samen des Glaubens kann wachsen“, so der Bischof.   

 

 

Stephan Schnelle

Pressesprecher

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