LIMBURG, 24.10.2023
Dialog zwischen den Religionen suchen
Über Dialog und Haltung und warum die Vergewisserung der gemeinsamen Wurzeln gerade heute wichtig ist: Darüber hat Rabbiner Andrew Steiman am Montag, 23. Oktober 2023, im Limburger Kolpinghaus gesprochen.
Der Saal im Limburger Kolpinghaus war bis auf den letzten Platz besetzt. Mehr als150 Gäste waren der Einladung der Kolpingfamilie Limburg zu Vortrag und Austausch „Jüdisch für Anfänger“ mit Rabbiner Andrej Steiman gefolgt. Und es folgten 90 Minuten, die ermutigten, den Dialog zwischen den Religionen zu suchen und in der Vergewisserung des Trennenden auch das Verbindende zu finden.
In diesem Sinne begrüßten die Vorsitzende der Kolpingfamilie, Marion Schardt-Sauer, und die Sprecherin der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) Limburg und Wetzlar, Lahn-Dill-Eder, Annette Krumpholz, die zusammen mit der Gesellschaft für Christliche-Jüdische Zusammenarbeit Limburg e. V. als Mitveranstalterin eingeladen hatten, die zahlreichen Besucherinnen und Besucher. „Gerade heute wollen wir Haltung zeigen und freuen uns, dass die Veranstaltung wie geplant stattfinden kann“, so Schardt-Sauer.
Moralischen Kompass verloren
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„Wir sind alle ein Teil der Geschichten, die die Bibel erzählt“, meinte Rabbi Andrew Steiman und begann mit einer Geschichte über einen jungen Rekruten, der mit seinem Gewissen und dem Gebot „Du sollst nicht töten“ rang. „Wo steht das?“, fragte ihn der Rabbi und klärte ihn auf, dass das Gebot im Hebräischen eigentlich „Du sollst nicht morden“ meint. „Der Unterschied zwischen Töten und Morden ist die Moral“. Und genau dieser moralische Kompass sei, nicht nur angesichts der schrecklichen Ereignisse am 7. Oktober 2023 in Gaza, verloren gegangen: Vielmehr zeige der wieder erstarkende Antisemitismus in Deutschland, wie wichtig es ist, dass sich Christinnen und Christen, Jüdinnen und Juden, Muslime und Musliminnen ihrer gemeinsamen Wurzeln im Glauben vergewissern; als Haltung einer Zivilgesellschaft, die Orientierung gibt und Verschwörungstheorien den Boden entzieht.
Denn „in jedem Christen steckt ein kleiner Jude“, zitierte Steiman seinen Vater, der selbst im Widerstand gegen die Nationalsozialisten im Dritten Reich gekämpft hatte, bis er flüchten musste und Exil in den USA fand. Und es folgte eine „Religionsstunde“ über die Gemeinsamkeiten und Wurzeln des Judentums und Christentums bei den großen Hochfesten wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten, über die verbindende Wirkung von Sprachen im Hebräischen und warum der neue Antisemitismus immer noch der alte ist. Am Ende stehe immer der Hass gegen die Juden, die Schuld am Coronavirus, am Verbot von Freudenfesten in Berlin-Neukölln und anderen Übeln in der Welt hätten. „Der politisch argumentierende Antisemitismus passt sich immer der Zeit an“, unterstrich Steiman und verwies dankbar auf das beherzte Einschreiten von Christinnen und Christen, die sich unmissverständlich gegen jede Form von Antisemitismus in unserer Gesellschaft wendeten. Denn bei allem Trennenden der Religionen, hätten die Menschen einen Glauben, der sie verbinde. „Der Glaube Jesu verbindet uns – der Glaube an Jesus trennt uns“, so Steiman.