WIESBADEN, 09.07.2024
Ein Buch, das eine Lücke schließt
„Wer nach Rom kommt, erhält dort selbstverständlich Kirchenführer, in denen man blättern und Informationen zu den sakralen Schönheiten nachschlagen kann. Endlich ist das auch in Wiesbaden möglich“ – mit diesen begeisterten Worten eröffnete der Kunsthistoriker und Kurator Dr. Peter Forster die Buchpräsentation „Bekannte Unbekannte“ in der Alten Bibliothek im Museum Wiesbaden. Mit diesen beschwingten Worten des Kurators war der ehrwürdige, eichenholzgetäfelte Raum sofort erfüllt von heiterer, gelöster Atmosphäre und es entspann sich ein Gespräch, das die rund 40 Anwesenden vergnüglich über die Buchentstehung informierte.
Der Band, herausgegeben von der Katholischen Erwachsenenbildung Wiesbaden-Untertaunus und Rheingau (KEB), versammelt in Text und Bild die 22 katholischen Kirchräume Wiesbadens sowie eine überkonfessionell genutzte Kapelle.
Bildergalerie
ÜBERRASCHENDE DETAILS
Die Autorinnen Dr. Simone Husemann und Sabrina Faulstich haben rund drei Jahre an dem Werk gearbeitet, gemeinsam recherchiert und geforscht. Höchst unterschiedliche katholische Sakralräume haben die Kunsthistorikerinnen untersucht und abgebildet und dabei überraschende Details zusammengetragen. So wurde beispielsweise die größte katholische Kirche Wiesbadens, St. Bonifatius, am Vorabend der Weihe mehrfarbig illuminiert. Das ist aus heutiger Sicht für das Jahr 1849 durchaus unerwartet. Ebenso neu ist für Viele: In der Kirche St. Klara in Wiesbaden-Klarenthal befindet sich ein aus Beton gegossener Kreuzweg, der von der „Erfinderin der Maus“, der Grafikerin Isolde Schmitt-Menzel, gestaltet wurde. Unzählige weitere spannende Entdeckungen sind in dem Kirchenführer versammelt.
Der Gestalter des Buchs, Andreas Gottselig, betonte, dass es die Gedanken und Ideen der Architekten in Worten und Bildern erschließt und damit die Baukunst Struktur der Gebäude wertschätzend erzählt. Die hochwertigen Abbildungen der Kirchräume hat der Fotograf Twain Wegner aus Mainz beigesteuert. Den Fotos ging eine akribische Vorbereitung voraus. Teils hat Wegner in den und um die Kirchen herum Details neu geordnet. Da wurden Betonkübel umgestellt oder auch Lampen abzuhängen, um exzellente Ergebnisse zu erzielen.
SAKRALRÄUME IM UMBRUCH
Für den Fotografen war das Projekt auch deswegen interessant, weil die Kirchräume „teilweise bereits abgewickelt werden“. Tatsächlich sind sakrale Räume aktuell inmitten einer radikalen Umbruchsituation: die Notwendigkeit einer Existenz von Kirchenbauten wird virulent diskutiert. Dabei sind diese besonderen, aus dem Alltag herausgehobene Räume zwingend notwendig, betont Husemann. Wie keine andere Kunstform ist die Architektur für den Menschen gemacht. Sakralräume mit ihren je eigenen architektonischen und künstlerischen Gesetzmäßigkeiten antworten auf Sehnsüchte, beispielsweise auf das Bedürfnis nach einem Raum, der Menschliches übersteigt. Sehr sensibel und bedacht muss eine Umnutzung von Kirchräumen unter gesellschaftlichen Akteuren ausgehandelt werden, wünscht sich die Kunsthistorikerin.
NEUGIER, STOLZ UND FREUDE
Für eine einfühlsame Debatte ist der Kirchenführer eine gelungene Grundlage. Denn er lädt ein, den Kirchen, die das Stadtbild Wiesbadens entscheidend prägen, mit Neugier zu begegnen. Wer genau hinschaut, entdeckt in bekannten Bauwerken bisher völlig unbekannte Einzelheiten. Das weitet den Blick für Räume, die doch so vertraut erscheinen. Co-Autorin Sabrina Faulstich fasste trefflich zusammen: „Nach unserer intensiven Beschäftigung mit den katholischen Kirchen in Wiesbaden kann ich jetzt viel besser verstehen, welche Bedeutung sie haben. Die detektivische Arbeit, die wir gemeinsam geleistet erfüllt mich mit Stolz und Freude“.
BEKANNTE UNBEKANNTE
Verlagsgruppe Schnell und Steiner
1. Auflage 2024, 168 Seiten, Klappenbroschur, 20 Euro
ISBN: 978-3-7954-3893-7