Suchwort eingeben

LIMBURG, 29.03.2024

Es geschah am helllichten Tag

Nach dem Tod Jesu ticken die Uhren anders. Das Leben und die Lebenszeit erscheinen verwandelt. Darüber sprach Bischof Georg in seiner Predigt.

Wer die Gottesdienste an Gründonnerstag, Karfreitag, in der Osternacht und an Ostersonntag mitfeiert, der kann eine intensive Zeit durchleben. „Den Weg Jesu mitzugehen, das verleiht diesen Tagen ihre besondere Qualität. Es ist ein einziger heiliger Zeitraum, ‚triduum sacrum‘, so hat man ihn schon früh bezeichnet. Danach ticken die Uhren anders, und unsere Lebenszeit und unsere Lebenswelten erscheinen verwandelt in neuem Licht“, sagte Bischof Dr. Georg Bätzing in seiner Predigt an Karfreitag, 29. März 2024. Abend und Morgen, Tag und Nacht gliederten die eindrucksvollen Liturgien und spannten einen Bogen, der weit über das irdische Leben hinausweise. Der Bischof von Limburg und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz feierte um 15 Uhr mit hunderten Gläubigen im Limburger Dom die Liturgie vom Leiden und Sterben Christi. Der Gottesdienst wurde live im Internet übertragen.

Suche nach Gott und nach den Menschen

Die Todesstunde Jesu, so der Bischof, liege am hellichten Tag. Jede und jeder konnte das grausame Geschehen wahrnehmen und erleben, wie die Beziehung zwischen Gott und Mensch und ihre gegenseitige Suche nacheinander ihren Gipfel erreicht. Heute, in einer Zeit der Polykrisen, in der pragmatisch wirksame Strategien relevant und lebensnotwendig geworden sind, sei es nicht selbstverständlich, gründlich nach dem wirklichen menschlichen Menschen und nach dem Göttlichen zu suchen. „Wer dennoch nicht davon ablässt, nach Gott und Mensch zu fragen, den führt die gläubige Feier vom Leiden und Sterben des Herrn auf die Spur, und das am hellichten Tag“, so der Bischof.

In seiner Predigt verglich Bätzing die biblischen Erzählungen des Karfreitags des Evangelisten Markus mit denen des Evangelisten Johannes. „Markus durchschreitet im ältesten der vier Evangelien den Karfreitag im exakten Zeitmaß“, erklärte der Bischof. Zur dritten Stunde wurde Jesus gekreuzigt, zur sechsten Stunde brach Finsternis über das ganze Land herein. In der neunten Stunde starb Jesus mit lautem Schrei. „Was auf Golgota geschieht, ist ein Geschehen zwischen Gott und seinem Sohn“, so Bätzing. Die Schilderung bei Markus zeige ab der dritten Stunde eine schrittweise Entblößung und Vereinsamung. In der sechsten Stunde halte die Zeit vollends an. Was in der Zeit bis zum Tod Jesu zur neunten Stunde geschehe, werde nicht beschrieben. Das schaffe einen Hohlraum, dessen gewaltige Kraft dann im Schrei Jesu „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ zum Ausdruck komme. In diesem Schrei ergreife Jesu zum ersten und einzigen Mal während der ganzen Hinrichtung selbst die Initiative. Der Schrei Jesu sei der Gipfel der Suche von Gott und Mensch nacheinander. Die ausgehaltene Leere, das innere Dunkel am hellichten äußeren Tag könne so zum radikalsten Ausdruck von Beziehung werden. „Jesus macht durch, was wir in unseren Niederlagen, im Schmerz und letztlich im Tod durchleiden“, so Bätzing. Der Sohn Gottes lasse den Menschen nie allein.

Die Stunde ist gekommen

Der Evangelist Johannes habe seinen Gang durch den Karfreitag ganz anders konzipiert. „Als er gegen Ende des ersten christlichen Jahrhunderts sein Evangelium schreibt, da ist das Nachdenken über die tiefere Bedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu schon weit fortgeschritten“, erklärte der Bischof von Limburg. Johannes folge dem Anliegen, das Ganze vom Zentrum her zu betrachten, denn wer die Mitte finde, sehe auch das Ganze. Was Zeitangaben betreffe, bleibe Johannes vage. Nachdrücklich betone er nur, dass Jesus am Rüsttag des Paschafestes gestorben sei, zur Stunde, da die Lämmer für das Mahl geschlachtet wurden. Der Zeitpunkt des Todes Jesu sei bei den Juden die Stunde des Gebetes gewesen. Dies sei die Stunde, von der Jesus oft gesprochen und auf die hin er gelebt habe. „Vater die Stunde ist gekommen. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht“ (Joh 17,1). Folglich, so Bätzing, handle der Sohn in dieser alles entscheidenden Stunde. „Jesu Passion wird im Johannesevangelium zum Tagewerk höchster Aktion, in der Gott den menschlichen Menschen und der Mensch Jesus die Liebe Gottes offenbart“, sagte der Bischof.

Die Wahrheit über Jesus kommt ans Licht

Die Tafel mit dem Schuldspruch „Jesus von Nazaret, der König der Juden“, werde zur öffentlichen Bezeugung seiner Sendung. Die Wahrheit über Jesus komme ans Licht. Seine Habe werde verteilt. Jesus Vermächtnis gehe in alle vier Himmelsrichtungen und umgreife in kürzester Zeit die ganze Welt. Jesus gebe auch sein letztes Hemd, sein Gewand, ohne Naht von oben ganz durchwebt, bleibe unzerteilt. Die Kirchenväter deuteten dies als bleibendes Sinnbild und Mahnmal der Einheit der Kirche. „Streit und Spaltung unter den Anhängern Jesu sind darum so skandalös, weil der Herr für die Einheit alles gegeben hat“, so Bätzing. Jesus durchbreche am Kreuz auch die Einsamkeit des Todeskampfes und wende sich Maria und dem Apostel Johannes zu. Er verweise sie aufeinander und damit geschehe weit mehr, als dass ein Sohn persönlich für die Zukunft seiner Mutter Sorge trage. „Hier fügt der Herr die Kirche in ihrer grundlegenden Struktur zusammen, heilig in Maria und apostolisch in Johannes: So haben es die Kirchenväter ausgelegt. Beides kann nicht mehr auseinander dividiert werden“, so der Bischof.

Und dann sei da noch der Durst. Als natürliches Bedürfnis müsse er unerträglich gewesen sein, unerträglicher aber noch als Ausdruck der Sehnsucht nach der Nähe Gottes und nach dem Vertrauen der Menschen in den gütigen Vater. „So bringt er seinen Lebensauftrag zu einem guten Ende. Um Gott und uns Menschen zusammenzuführen, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben, hängt Jesus zwischen Himmel und Erde“, sagte Bätzing. Mit letzter Kraft spreche Jesu aus, dass es nun vollbracht sei. Jesus agiere bis zum letzten Atemzug und sei so auch Herr seiner eigenen Leidensgeschichte.

Die Predigt im Wortlaut

Stephan Schnelle

Pressesprecher

Zum Anfang der Seite springen