Limburg/Frankfurt, 12.03.2024
„Ramadan Kareem!“ – Mehr als ein Fastenmonat
Als Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) die zum ersten Mal installierte Beleuchtung um 18.35 Uhr einschaltete, drängten sich zahlreiche muslimische und nicht-muslimische Frankfurterinnen und Frankfurter auf den knappen 200 Metern der illuminierten Strecke.
Im Vorfeld hatte es um diese wenigen Lichter eine umso größere Diskussion gegeben. Als Zeichen der Toleranz und Offenheit gegenüber dem großen muslimischen Bevölkerungsanteil in Frankfurt stehen sie einer Stadt gut zu Gesicht, in der die Vielfalt der Kulturen und Religionen Alltag ist. So ist die Meinung bei der Mehrheit des Frankfurter Magistrats und im Rat der Religionen Frankfurt. Auch die katholische und die evangelische Stadtkirche sowie die jüdische Gemeinde Frankfurt lobten an der Aktion, dass eine verstärkte Sichtbarkeit von Religion im öffentlichen Raum durchaus wünschenswert sei und gemäß unserer Rechts- und Werteordnung nicht auf Christentum und Judentum beschränkt werden dürfe. Die grundgesetzlich garantierte Freiheit zur gemeinschaftlichen öffentlichen Religionsausübung gilt für alle.
Fairness durch Sichtbarwerden
Die Ramadan-Beleuchtung ist dabei weder ein religiöses Erfordernis der Religion des Islam noch einzelner islamischer Verbände oder Gemeinden. Genau wie die gewohnte Weihnachtsdekoration in den Innenstädten ist sie nicht mehr als ein nettes kulturelles Beiwerk um das Fest herum. Aber genau deswegen dürfte sie die meisten Menschen muslimischer Herkunft oder Zugehörigkeit erfreuen – auch die säkularen oder religionsfernen –, deren Festtagsbräuche hier sichtbar werden. Somit könnten sich an der Frankfurter Ramadan-Beleuchtung fruchtbare Diskussionen entzünden, beispielsweise welche weiteren Religionsgemeinschaften eine größere Sichtbarkeit benötigen, allein aus Fairnessgründen. Oder auch, so der Vorschlag von Stadtdekan Johannes zu Eltz, wie in unserer säkularen Feiertagskultur die religiöse Sichtbarkeit christlicher Feste neu gestärkt werden kann.
Bereits in der ankündigenden Presseerklärung hatte Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg die öffentliche Sichtbarkeit der Ramadan-Beleuchtung vor allem auch als Zeichen gegen antimuslimischen Rassismus und Antisemitismus gedeutet. Dieser Bezug auf die Verhinderung von Antisemitismus überfrachte die Aktion und sei zudem schwer plausibel zu machen, erklärt Frank van der Velden. Er ist bischöflich Beauftragter für Islamfragen. Hier sei dem Vorsitzenden des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Hessen, Daniel Neumann, in seiner Kritik Recht zu geben, die er in der Jüdischen Allgemeinen vom 7. März geäußert hat. Ein paar aufgehängte Lichterketten hätten noch keinen Antisemiten von seinem Tun bekehrt und sind keine Antwort auf den Antisemitismus, der sich aktuell auch in der muslimischen Community zeige. Immerhin kam es bei der Feier am Sonntagabend zu keinen politischen Störungen. Zwei hochgehaltene Plakate mit Bezug zum Gaza-Krieg wurden nach wenigen Minuten von den Umstehenden selbst aus dem Verkehr gezogen.
Andererseits blieb mitten auf der Fressgass eine unangemeldete Gegenaktion von einer Handvoll Islamgegnern mit Lautsprecher und Plakattafel über die ganze Zeit der Eröffnungsfeier hin präsent und weitgehend unbehelligt, ohne dass die anwesende Polizei einschreiten musste. „Ist nicht auch dies als ein Zeichen von Toleranz und Demokratiebewusstsein der Umstehenden zu deuten? Bemerkenswert ist: Die Ramadan-Beleuchtung ist als Zeichen gegen Islamhass geplant, aber sie ruft diesen als Reaktion auch pünktlich hervor“, sagt van der Velden. Beim Vorsitzenden der AfD-Fraktion im hessischen Landtag, Robert Lambrou, löste sie statt Frieden, Ruhe und Liebe ganz andere „Ramadan-Gefühle“ aus: Er fordert an dieser Stelle den Kulturkampf gegen eine angebliche „Unterwerfung unter den Islam“. In einem Eintrag auf dem Blog seiner Landtagsfraktion vom 6. März könne er im Ramadan nur die Beeinträchtigung der „körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit“ und die Störung der geordneten Abläufe in Schulen und an den Arbeitsstellen durch die „Rücksicht auf die Fastenübungen der Muslime“ sehen. „Meiner Meinung nach ist die bessere Alternative zu solch uninteressierter Angstmache und empathieloser Meckerei ein interessierter Blick auf die kulturelle Bedeutung, die der Ramadan für Muslime und ihre Familien hat“, so van der Velden.
Familiäre Traditionen im Ramadan
Auf ihre wichtigsten drei „Ramadan-Gefühle“ angesprochen, antwortete die US-amerikanische Bloggerin Sumaiyya Nasseem vor einigen Jahren in einem Internet-Beitrag: „Friede und Ruhe“, „Die Liebe, die überall sichtbar wird“, „Die Kinder!“ Natürlich prägt auch für sie das Fasten den Ramadan, aber in der ersten Reihe ihrer Erinnerung stehen offensichtlich positive kulturelle und familiäre Werte. Die Frankfurter Ramadan-Beleuchtung knüpft mit ihren Symbolen „Laterne, Mond und Sterne“ an solche Gefühle an, die gerade auch die säkularen oder religionsfernen Menschen muslimischer Herkunft mit dem Ramadan verbinden.
Licht ist überhaupt im Ramadan wichtig, denn die familiären Riten – besonders das abendliche gemeinsame Essen und Feiern – finden nach Sonnenuntergang statt. Also werden Mond und Sterne zu Zeichen der Ramadan-Freuden im Kreis der Familie und der Freunde. Aber auch zum Zeichen des Glaubens. Das spiegelt sich auch in den Texten traditioneller Ramadanlieder wieder, in denen der sanfte Lichtschein des vollen Monds (arabisch al-badru) besungen wird.
Der Ramadan war bereits in vorislamischer Zeit ein Friedensmonat, in dem die Karawanen gefahrlos reisen konnten. „Und so gehört bis heute zu den kulturellen Traditionen aller Muslime die Friedenspflicht im Ramadan: Streiten, Fluchen und – so möchte man in Richtung der AfD formulieren – jede Form von Kulturkampf entwerten das Fasten. Aber auch Völlerei und erschöpfte Tatenlosigkeit entsprechen nicht dem Sinn des Ramadan, dessen Werte vielmehr auf Selbstbesinnung, Selbstbeherrschung und auf den friedlichen Handel und Wandel zum Besten aller zielen“, sagt van der Velden.
Der religiöse Reichtum des Ramadan
Außerhalb des Fastens gibt es im Ramadan weitere religiöse und spirituelle Traditionen. Diese werden überwiegend in den Moscheen gefeiert. Dazu gehören das zusätzliche Tarawih-Gebet am späten Abend und die abendliche Rezitation aus dem Koran, der im Ramadan einmal komplett durchgelesen wird. Wenn eine Gemeinde es sich finanziell leisten kann, werden dazu gerne auch bekannte Rezitatoren eingeladen. Gleiches gilt für religiöse Vorträge zur Bedeutung des Ramadan, der seinen Höhepunkt meist in der 27. Nacht des Monats (laylat al-qadr) erreicht. Dann wird die „Herabsendung des Koran“, also die Offenbarung der Glaubensschrift des Islam gefeiert. „Zu den berührendsten Momenten gehört für mich, wenn fromme ältere Muslime sich aus dem Kreis der familiären Feiern verabschieden, um die letzten zehn Tage des Ramadan ganz in der Moschee zu verbringen. Eine spirituelle Übung, um sich auf ihr eigenes Sterben vorzubereiten“, sagt van der Velden.
„Vor diesem Hintergrund wünsche ich allen Musliminnen und Muslimen einen fröhlichen Ramadan im Kreis ihrer Familien und Freunde. Und ich ermutige alle Leserinnen und Leser, dies ebenfalls zu tun. Ein empathisches Interesse an den beschriebenen familiären und kulturellen Traditionen ist fast immer willkommen. Auch sind Gratulationen angebracht“, so van der Velden.
Worte von Bischof Georg Bätzing
Als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz gratuliert auch Bischof Bätzing regelmäßig in einem Grußwort den muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu Beginn des Fastenmonats und zum abschließenden Zuckerfest. In diesem Jahr hob er die Bedeutung des Fastens, des Gebets und der Wohltätigkeit hervor und unterstrich die tiefe Verbundenheit zwischen religiösen Traditionen.
„In diesem Jahr gibt es wieder eine terminliche Überschneidung zwischen dem muslimischen Fastenmonat und der christlichen Fastenzeit. Es ist schön, dass wir – ungeachtet aller Unterschiede – zur gleichen Zeit im Fasten, Beten und Almosengeben Gottes Gnade erbitten“, erklärte Bischof Bätzing. Er betonte die gemeinsame spirituelle Praxis des Fastens, die Christen, Juden und Muslime teilen, und sehe darin eine Quelle der Annäherung und des gegenseitigen Verständnisses. Zudem nahm Bätzing auch Bezug auf aktuelle Krisen und Konflikte und betonte die Bedeutung religiöser Werte für den gesellschaftlichen Zusammenhalt: „Alle Versuche extremistischer Kräfte, die Krisen unserer Zeit für eine Agenda der Menschenverachtung zu nutzen, müssen wir als religiöse Menschen mit großer Entschlossenheit zurückweisen.“ Deshalb haben die deutschen Bischöfe in ihrer gemeinsamen Erklärung Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar ein klares Signal gegen Rechtsextremismus und Rassismus in Deutschland ausgesandt. „Diese Erklärung soll auch als Ermutigung für ein verstärktes interreligiöses Engagement gegen jede Form der Menschenfeindlichkeit verstanden werden“, erklärte Bätzing.
Mit Blick auf Deutschland betonte der Bischof von Limburg und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, dass der interreligiöse Appell gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit weiterhin von hoher Aktualität sei. „Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Juden in Deutschland auf die Solidarität von Christen und Muslimen zählen können, wann immer sie bedroht und angegriffen werden. Lassen Sie uns ebenso dafür eintreten, dass auch Muslime die Solidarität der Anderen erfahren, wann immer ihnen Hass und Hetze entgegenschlagen“, schreibt Bischof Bätzing weiter und appelliert: „Begeben wir uns gemeinsam auf einen Weg der Geschwisterlichkeit!“
Das Grußwort zum Ramadan von Georg Bätzing
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