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Frankfurt, 28.02.2025

In der Zeit des Fastens hinschauen

Brigitta Sassin ist Referentin für christlich-islamischen Dialog und sitzt in Frankfurt an der Schnittstelle zwischen katholischen Pfarreien und muslimischen Gemeinden. Im Interview gibt sie praktische Tipps rund um den heute beginnenden Ramadan.

Frau Dr. Sassin, vom 1. März bis 30. März ist Ramadan. Mit Blick auf Christ:innen und Muslim:innen - wie ausgeprägt ist das Wissen um die religiösen Traditionen des jeweils Anderen Ihrer Wahrnehmung nach?

Das Interview hier ist schon ein Hinweis, dass wir deutschen Christen uns oft nicht so leicht mit den Traditionen der anderen tun. Das Fremde, der (religiös) Fremde, Sie sagen der „Andere“, lösen in uns unterschiedliche Gefühle aus: Unwissenheit, Unsicherheit, manchmal Angst, manchmal ist es auch ganz aufregend, neu und spannend. Über die religiösen Traditionen lernen Kinder und Jugendliche in der Schule – und uns Erwachsenen ist es überlassen, uns selbst zu informieren. An vielen Orten gibt es Moscheeführungen, besonders alljährlich zum 3. Oktober, dem bundesweiten Tag der Offenen Moschee. Auch nach vielen Jahren in diesem Aufgabengebiet treffe ich immer noch Menschen, die – ich sage das ohne Vorwurf, sondern rein beschreibend - noch nie in einer deutschen Moschee waren. Was alleine manchmal schwierig erscheint, ist in einer Gruppe einfacher. Deshalb biete ich immer wieder Besuche als Gruppe in eine Moschee an. Die Frage, wie ausgeprägt das Wissen ist, finde ich kompliziert: mal ist unser Wissen oberflächlich, manche Medien informieren zur Zeit über den Beginn des Ramadans, dann kennt man die Daten, weiß aber noch nicht mehr. Andere Medien bringen lange Reportagen und schenken uns einen Einblick, wie Familien und muslimische Gemeinden sich auf den Fastenmonat vorbereiten und welche Elemente ihnen besonders wertvoll sind.

Sie verschicken jedes Jahr das Grußwort von Bischof Georg Bätzing zum Ramadan an die Pfarreien und stellen darüber hinaus Handreichungen zusammen, in denen unter anderem steht, welche Gepflogenheiten rund um Ramadan zu beachten sind – zum Beispiel, wann man gratuliert, was geschenkt wird und ähnliches. Das ist sicher auch für Menschen mit muslimischen Freund:innen interessant. Was muss man wissen?

Für Muslime ist es schon wichtig und kostbar, dass sie in dieser Zeit ihres Fastens nicht übersehen, sondern wahrgenommen werden. Anders herum gilt es ja auch: in den Tagen vor dem 24. Dezember wünschen sich (fast) alle Leute in Deutschland „Frohe Weihnachten!“, auch wenn sie nicht religiös sind. So ist es auch für die Muslime im Ramadan. Am Anfang des Fastenmonats ist es für sie schön zu merken, dass Freunde, Arbeitskollegen, Nachbarn, Bekannte um den Ramadan wissen – auch um die Schwierigkeiten, die der Körper hat, wenn er sich auf das Fasten umstellt. Viele Muslime sind in diesen Tagen müde oder stellen sich auch mental um auf das Fasten. Falls in diesen ersten Tagen ein Gefühle der Gereiztheit auftaucht, versuchen alle damit zurechtzukommen, denn die Fastenzeit ist eine Zeit der Freude und der Glaubensvertiefung.  Eigentlich kann man den ganzen Monat über „einen frohen Ramadan“ wünschen. Zum Schluss des Fastenmonats gibt es dann drei Festtage, das Fasten ist vorbei und alle feiern! In diesem Jahr liegen diese Festtage vom 29. bis 31. März. Auf Arabisch heißt das Fest Eid-ul-Fitr, man wünscht sich ein „Frohes Eid-Fest!“, in der türkischsprachigen Community wünscht man sich ein „Frohes Zuckerfest!“.

Fasten bedeutet ein Verzicht auf Trinken und Essen vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Auch der Verzicht auf schlechte Gedanken oder schlechte Rede über andere, der Verzicht auf Zigaretten und Sexualität. Alles hat das Ziel, dass der Geist sich reinigt und die Sehnsucht nach Gott wächst. Es ist wie eine Art kollektive Gruppenexerzitien, geistliche Übung, Vergewisserung, wie wichtig der muslimische Glauben für die Einzelnen und die Gemeinschaft ist. Das Gebet in der Moschee oder in der Familie ist sehr wichtig, auch das Lesen im Koran, eine großherzige Spende an Arme oder ein soziales Projekt – und das Fastenbrechen, die gemeinsame Mahlzeit nach Sonnenuntergang möglichst mit Familie oder Freunden. Wer als Nicht-Muslim zum Fastenbrechen eingeladen wird, wird also warten, bis alle nach Sonnenuntergang die erste Dattel essen und einen Schluck Milch (früher Kamelmilch) oder Wasser trinken und so den Körper vorbereiten auf die Mahlzeit, die dann folgt. Als Geschenk eignet sich eine Schachtel Datteln, aber auch einige Früchte oder Süßigkeiten bereiten eine Freude. Wer unsicher ist, was er oder sie bei einer Einladung zum Fastenbrechen in einer Familie mitbringen kann, kann auch fragen, was der Familie eine Freude macht.  

Wie lebendig ist der Kontakt zwischen Kirchen und Moscheen Ihrer Meinung nach? Gibt es gemeinsame Projekte, Überschneidungen?

Wie in allen Beziehungen und Freundschaften ist das von den Beteiligten abhängig, auch von den gesellschaftlichen Stimmungen und Diskussionen. Zur Zeit der Corona Pandemie, als wir alle uns zurückziehen mussten, habe ich einige Kontakte verloren, die ich nach der Pandemie erst mühsam wiederfinden musste. Nach dem 7. Oktober 2023 gab es auch Angst, Verunsicherung. Es gibt Stadtteile, in denen ein lebendiger und regelmäßiger Kontakt zwischen Moscheegemeinden und den christlichen Gemeinden gepflegt wird. Da trifft man sich, Vertrauen ist gewachsen, man kann sich erzählen von den Fragen und Sorgen der jeweils eigenen Gemeinde. Im Gallus gibt es den Stadtteilarbeitskreis, in Hausen/Rödelheim den „Christlich-Islamischen Arbeitskreis“, in anderen Stadtteilen gibt es punktuelle Kontakte, bei denen die Verantwortlichen sich kennen und einladen. Wenn es dann Fragen oder Probleme im Stadtteil entstehen, können diese besprochen werden. Gemeinsam lässt sich eine Lösung finden!

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