Wiesbaden
Gemeinsam auf Augenhöhe unterwegs
Christina Kunkel und Jürgen Otto sind das neue Leitungsduo der Katholischen Region Wiesbaden | Rheingau | Taunus. Über ihre Pläne, Arbeitsteilung und Herzensthemen erzählen sie im Interview. Die feierliche Amtseinführung findet am Freitag, 24. Januar 2025, um 18 Uhr in der Jugendkirche KANA in Wiesbaden statt.
Frau Kunkel, Herr Otto, seit dem 1. Dezember sind Sie die erste Doppelspitze der Katholischen Region Wiesbaden | Rheingau | Taunus. Wie war die erste Kontaktaufnahme zwischen Ihnen beiden? Was hat jeweils den Ausschlag gegeben zu sagen: „Ja, das könnte passen?“
Kunkel: Wir haben uns vorher schonmal zusammengesetzt. Wir hatten beide das Gefühl, dass dies eine Aufgabe ist, die man besser zu zweit wahrnimmt und haben uns deshalb im Sommer in Wiesbaden getroffen und kennengelernt. Ich hatte das Gefühl, das kann funktionieren und mit dieser Gewissheit sind wir dann in die Wahl gegangen.
Otto: In der Wahl haben wir eine gemeinsame Aufgabe bekommen. Das hat im Grunde noch einmal den Eindruck bestätigt, den wir voneinander hatten. Wir bringen beide einen ganz unterschiedlichen Erfahrungsschatz aus unseren bisherigen beruflichen Kontexten mit, so dass wir uns dadurch total gut ergänzen können. Mit diesem Eindruck bin ich aus der Wahl herausgegangen und das hat mich bestätigt, dass das gut werden kann.
Wie kommt man als gleichberechtigte Doppelspitze ins Arbeiten? Gibt es eine klare Arbeitsteilung? Wie werden Entscheidungsprozesse abgestimmt?
Otto: Wir haben uns einen Geschäftsverteilungsplan gemacht. Aber der ist natürlich noch im Werden. Verantwortlich sind wir zunächst einmal hier für die Mitarbeitenden im Regionalbüro. Und dann sind wir die unmittelbaren Dienstvorgesetzten für die jeweiligen Einrichtungsleitungen, die der Region zugeordnet sind. Christina ist zuständig für die Jugendkirche KANA, ich für die Katholische Familienbildung und für das Regionalbüroteam. Ich vertrete die Region im Bistumsteam, Christina im Regionenteam.
Es kommt darauf an, möglichst viel im Austausch zu sein. Also, wenn ich aus dem Bistumsteam zurückkomme, ist Christinas erste Frage: „Gibt es irgendetwas wichtiges, was ihr da besprochen habt?“ Und wir haben ein Gespür dafür, bei welchen Entscheidungen wir uns vorher abstimmen müssen.
Kunkel: Da das Religionspädagogische Amt und die Katholische Erwachsenenbildung mit im Haus sitzen, werden wir uns auch für deren Anliegen stark machen, wenn wir das Gefühl haben, das ist ein für die Region sinnvolles Ziel, das da verfolgt wird. Wir müssen daher auch eng im Austausch mit den Leistungsbereichen wie bspw. dem Leistungsbereich Pastoral und Bildung sein.
Ich finde es sehr klug, dass die Leitung als Doppelrolle angelegt ist. Es braucht ein hohes Maß an Vertrauen und dass man sich in bestimmten Grundwerten der Zusammenarbeit einig ist. Und es stellt natürlich sicher, dass bestimmte Dinge durch die andere Person immer erst noch einmal kritisch betrachtet werden, im Vier-Augen-Prinzip. Und was uns beiden trotz der Aufgabenteilung auch wichtig ist: Wir wollen für alle ansprechbar sein und als Team wahrgenommen werden.
Sie sind für fünf Jahre gewählt. Welche Ziele haben Sie sich für diesen Zeitraum gesetzt? Welche Themen liegen Ihnen am Herzen? Was steht als Erstes an?
Otto: Das ist eine große Frage. Das erste ist natürlich, mit vielen in Kontakt zu treten und verschiedene Austauschformate ins Laufen zu bringen. Beispielsweise steht Anfang Februar die dreitägige Pastoralklausur an, aus der möglichst viele mit dem Gefühl herausgehen sollen, die Region ist nicht nur eine abstrakte Größe, sondern sie hat auch einen Mehrwert für mich in meiner Arbeit, in meiner Einrichtung, in der Pfarrei, in der ich tätig bin.
Wir wollen viele Menschen kennenlernen und so nach und nach ein Netzwerk aufbauen in der Region. Das ist so etwas, was ich mir für die erste Zeit vorstelle. Mir geht auch durch den Kopf, dass wir in einer sehr spannenden Phase die Aufgabe antreten. Das wird einem sehr schnell bewusst, wenn wir hören, dass sich das Bistum mit einem Strategieprozess auf den Weg gemacht hat und dass es parallel das Haushaltsicherungskonzept gibt. In dieser Zeit geht es darum zu schauen, wofür nehmen wir Geld in die Hand und auch zu sagen, das sind die Inhalte, die Felder, die Themen, die uns wichtig sind im Bistum und in der Region.
Kunkel: Ergänzen würde ich noch eine etwas abstraktere Perspektive: Wenn wir nach den fünf Jahren zurückschauen, woran erkennen wir dann Erfolg? Wenn nach den fünf Jahren die Region eine Identität nach Innen hat, wenn ein Mehrwert erlebbar wird für die eigenen Mitarbeitenden, und gleichzeitig die Region auch nach außen als eine Größe in der Gesellschaft sichtbar wahrgenommen wird – ich denke, dann waren wir erfolgreich.
Wichtig ist für mich, dass wir uns fokussieren und priorisieren, was wir tun. Für wen sind wir da? Was sind unsere Kernaufgaben als Kirche in Gesellschaft? Wo schaffen wir wirksame Angebote und Erfahrungswerte, die wir regionen- und auch bistumsweit nutzbar machen können? Ich denke da beispielsweise neben vielem anderen an die wertvolle Pionierarbeit der Jugendkirche in Sachen queere Jugendpastoral oder die wertvollen Angebote der Familienbildung inmitten der Stadtgesellschaft.
Das müssen wir kommunizieren, und was wir tun, nach außen tragen und selbstbewusst darüber sprechen: Was tun wir Gutes? Warum ist es wichtig, dass es uns gibt?
Und wir sollten in Kooperation denken – bistumsweit und auch in die Gesellschaft hinein. Wo können wir voneinander lernen? Diese neue Schnittstelle ist ein großer Mehrwert der Region und ermöglicht, stärker in den Austausch zu gehen, auch außerhalb des Bistums, also auch mit der Stadtgesellschaft oder mit allen anderen Akteuren in der Region. Wo können wir uns zusammentun, wo verfolgen wir gemeinsame Ziele?
Otto: Mit Blick auf die Frage nach den Herzensthemen ist für mich die Ökumene ein Thema, das mir einfach unheimlich wichtig ist und auch für die Zukunft, weil wir vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Wir werden weniger und müssen damit umgehen. Von daher sind wir ermutigt zu gucken, wo wir zusammenarbeiten können und zusammenwirken sollten - wozu uns auch letztendlich das Evangelium auffordert und ermutigt als Christinnen und Christen gemeinsam unterwegs zu sein. Wahrnehmbar zu sein. Das in die Gesellschaft einzubringen, was wir an Werten daraus ziehen.
Das andere Thema, das mir am Herzen liegt, ist das Thema der Bewahrung der Schöpfung. Das ist ein drängendes Thema in der Stadt und in der Region, wo wir viele Akzente setzen und einbringen können. Als Christinnen und Christen müssen wir uns hier immer mehr einbringen. Gott sei Dank gibt es an verschiedenen Stellen Initiativen, die bereits unterwegs sind. Es gibt hier in Wiesbaden eine Klima AG und im Untertaunus eine Schöpfungsinitiative, die zusammen schon die Fühler ausgestreckt haben, um zu schauen wie wir auf Regionenebene gemeinsam Akzente setzen können.
Kunkel: Bei mir wäre es das Thema „Ehrenamt stärken“. Kirche zeigt an vielen Beispielen, etwa in der Jugend- und Seniorenarbeit, wie das in einer Zeit funktionieren kann, in der es zunehmend schwierig ist, junge Menschen für ein Engagement zu gewinnen. Da sollte man selbstbewusst sagen: „Das klappt bei uns gut und wir unterstützen euch hier noch stärker. Wie danken euch sehr, wir wertschätzen eure Arbeit, wir sehen eure Arbeit.“
Und dann gibt es noch das Thema „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ – wie sprechen wir miteinander? Wir sprechen oft nur noch in Blasen miteinander, bestätigen uns gegenseitig. Kann Kirche hier als ein Ort, der schon immer alle anspricht, eine andere Rolle spielen? Moderieren? Dialogräume schaffen? Wir sprechen sehr viele ältere Menschen an. Einsamkeit ist ein riesiges Thema. Gibt es da Möglichkeiten, Brücken zu bauen zwischen den Generationen zum Beispiel, um der Einsamkeit entgegenzuwirken? Kirche hat hier heute große Relevanz!
Nicht die Bistumsleitung hat Sie ins Amt gehoben, sondern der Regionalsynodalrat hat Sie gewählt. Durch mehr Beteiligung setzt das Bistum auf ein neues Verständnis von Kirche. Wie fühlt sich das für Sie an? Ist Kirche damit auf einem guten Weg?
Otto: Ja! Für mich fühlt sich das sehr gut an und ich glaube, das ist für mich einer der Punkte, die ich ganz wichtig finde und die mich motivieren in dieser Aufgabe: dass nicht mehr einfach von oben jemand eingesetzt wird, sondern dass wir als Doppelspitze - nicht eine Person alleine – von einem synodalen Gremium für fünf Jahre gewählt sind. Wir sind da in einem guten Dialog auf Augenhöhe miteinander unterwegs, um Verantwortung in der Region wahrzunehmen und die Region zu gestalten. Das fühlt sich gut an!
Kunkel: Alles andere würde sich nicht richtig anfühlen. Es ist wichtig, dass es diesen partizipativen Aufbruch jetzt gibt und die Erkenntnis, dass es an vielen Stellen nicht in alten Entscheidungs- und Machtstrukturen weitergehen kann. Deswegen ist das jetzt ein sehr wichtiges Signal, das sicher auch mit vielen Herausforderungen und Fragezeichen verbunden ist. Aber das verstehe ich auch als unsere Verantwortung, dem gerecht zu werden.