Frankfurt, 17.07.2025
Aufbruch in ein fremdes Abenteuer
„Früher hätte man mich mit Kirche jagen können!“ Das sagt André Rinke, 56 Jahre alt und studierter Sozialarbeiter. Trotzdem entschied er sich im Sommer, eine Stelle beim Bistum Limburg anzunehmen. In der Pfarrei Sankt Josef soll er nun zwei Jahre lang den Sozial- und Lebensraum von jungen Erwachsenen und Familien erkunden, Projekte für die Altersgruppe entwickeln, sich mit anderen Akteuren vernetzen und so nachhaltig die Lebenssituation seiner Zielgruppe verbessern.
Klingt interessant – aber auch nach einem Job, der genausogut von einer Stadtverwaltung hätte ausgeschrieben werden können. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter werden aktuell überall gesucht. Warum hat er sich gerade für die katholische Kirche als Arbeitgeberin entschieden? „Ich wollte einen Job, der mir einen inhaltlichen Sinn gibt“, erklärt Rinke, der mit seiner Familie in Bad Homburg lebt und sein Büro im Frankfurter Stadtteil Seckbach hat. Außerdem war er neugierig: „Die Kirche ist für mich ein großes, noch ein bisschen fremdes Abenteuer. Gerade fühle ich mich noch wie ein Forscher, der versucht, sein neues Umfeld zu verstehen.“ Kirche wird von außen oft als verstaubt und behäbig wahrgenommen, kann aber dennoch sehr viel Gutes leisten. „Die Gesellschaft hat große Bedarfe und die Kirche hat die Kapazität, sie zu erfüllen“, so seine Beobachtung. „Beides müssen wir nur zusammenbringen – und da sehe ich meine Aufgabe. Ich bin Brückenbauer und Dolmetscher zugleich.“
Blick auf die Wohntürme
Den Bedarf sieht Rinke jeden Tag. Wo er sich sein Büro einrichtet, durfte er selbst entscheiden – die Pfarrei erstreckt sich über die Stadtteile Bornheim, Seckbach, Riederwald und Fechenheim. Rinke wählte das alte Pfarrhaus in Seckbach, weil der soziale Brennpunkt Atzelberg direkt vor der Tür liegt. Etwa ein Drittel der gut 10.500 Einwohner von Seckbach lebt in der Atzelbergsiedlung, die aus hohen Plattenbauten besteht, die sich rund um den gleichnamigen Platz gruppieren. „Natürlich hätte ich mich auch auf der hübschen Berger Straße wohlgefühlt, aber hier habe ich viele Ansatzpunkte“, sagt er.
Rinke kommt authentisch rüber, sicher kein Nachteil als Sozialarbeiter. Auch er hat keine gerade Vita, Brüche sind ihm alles andere als fremd. Aufgrund von gesundheitlichen Problemen in der Kindheit wollte er seine Ärzte besser verstehen lernen und begann, sich für Naturwissenschaft zu interessieren. Nach dem Abitur ging er nach Aachen, um dort Chemie zu studieren – und brach das Studium schon weit fortgeschritten ab. „Durch meine Beschäftigung mit Literatur habe ich meine Liebe zur Philosophie entdeckt“, erinnert er sich. Eine große Sinnsuche begann, die ihn unter anderem zum Buddhismus führte und später auch ins Kloster zu den Zisterzienser-Mönchen in Marienstatt im Westerwald. Kurz überlegte er, beizutreten, entschied sich aber dagegen. Auch ein stiller Gebetsort in Belgien, der Katharina von Siena geweiht ist, zog ihn in dieser Zeit der spirituellen Suche an. Aber in der ersten vorsichtigen Wiederannnäherung an den Glauben begriff er auch: „Mein Gottesbild ist einem ständigen Wandel unterworfen, einfache Antworten stellen mich nicht zufrieden. Gott bleibt ein Rätsel. Und das ist gut so, ich liebe Rätsel.“
„Hier bin ich richtig!“
Nach dem Abbruch des Philosophiestudiums arbeitete Rinke viele Jahre als Nachhilfelehrer in seinen Fächern, bis er über Kontakte zu einem Orientierungsseminar für den Studiengang Soziale Arbeit kam. Und plötzlich wusste: Hier bin ich richtig! Viele der Themen kannte er aus der Arbeit mit seinen Nachhilfeschülern, auch die philosophischen Fragen, die ihn noch immer umtreiben, wurden hier diskutiert. Nach dem Abschluss an der Hochschule für Sozialarbeit in Aachen hängte er noch einen Master of Interprofessional Community Care an. Anschließend arbeitete er jahrelang in Wohngruppen, erst für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, dann für Menschen mit geistiger Behinderung, später auch als Leitung.
Die Ausrichtung stimmt
Doch der Schichtdienst ließ sich nicht gut mit dem Familienleben vereinbaren, außerdem spürte er, dass es inhaltlich Zeit für etwas Neues war. Nach einem Sabbatjahr beschloss Rinke: „Ich möchte eine Arbeit finden, die rundum zu mir passt.“ Spätestens nach einem ersten Kennenlernen mit dem Pfarrer und der Personalabteilung des Bistums war klar, dass es passt. „Das, was mich am Kloster fasziniert hat, diese grundsätzlich gleiche Ausrichtung, die finde ich nun ein stückweit hier“, so Rinke.
Gerade ist er noch dabei, sein Aufgabenfeld zu konzipieren – denn dass eine solche multiprofessionelle Stelle recht frei angelegt ist, ist typisch fürs Bistum Limburg. Immerhin sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich entfalten und ihr Charisma, eigene Stärken und Ideen einbringen können. Für Rinke bedeutet das: Er möchte verstärkt im öffentlichen Raum präsent sein und zunächst mal hinhören, was gebraucht wird, bevor er konkrete Projekte entwirft.
Würde er die katholische Kirche als Arbeitgeber empfehlen? Definitiv. „Man braucht auch als Mensch, der vorher nicht viel mit Glauben zu tun hatte, keine Berührungsängste zu haben“, ermutigt er alle, die mit dem Gedanken spielen, sich auf einen der zahlreichen Jobs im Bistum Limburg zu bewerben (Infos: https://stellenboerse.bistumlimburg.de). „Und dass sich unser Gehalt am Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) orientiert, ist auch ein Vorteil.“