Frankfurt, 22.07.2025
Ein letzter Liebesdienst
Frau Kitz, eine geplante Gesetzesnovellierung sorgt für Diskussionen. Was genau soll sich in Rheinland-Pfalz denn ändern?
Es sind eine ganze Reihe von Veränderungen geplant, aber wichtig zu wissen: Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet. Viel diskutiert werden die sogenannten neuen Bestattungsformen, etwa eine Urne künftig zuhause, an „einem pietätvollen Ort“, wie der Gesetzesvorschlag formuliert, aufbewahren zu können. Auch Flussbestattungen, also eine Urne in einem der großen Flüsse in Rheinland-Pfalz beizusetzen, soll es geben oder die Möglichkeit, die Asche zu verstreuen. Schließlich soll es in Zukunft möglich sein, die Asche zu teilen, um z.B. einen Diamanten für ein Schmuckstück daraus anfertigen zu lassen. Manche Änderungsvorschläge treffen auf breite Zustimmung, etwa, dass früh im Mutterleib verstorbene Kinder künftig als „Sternenkinder“ statt wie bisher als „Fehlgeburt“ bezeichnet werden. Oder dass Verwandte in Zukunft in der Gemeinde beigesetzt werden können, wo nahe Verwandte wohnen.
Klingt ja erst einmal nach guten neuen Möglichkeiten, einen geliebten Menschen zu bestatten. Warum sieht die katholische Kirche das kritisch? (Statement der Kirche hier: Bistum Limburg: Würde bis zum Schluss)
Die katholische Kirche (die evangelische übrigens auch) ist nicht grundsätzlich gegen Veränderungen! Sie begrüßt sogar sehr, dass Menschen sich mehr mit den Fragen rund um Sterben, Tod und Trauer auseinandersetzen und Formen wählen, die sie als passend und stimmig empfinden. Zugleich sind die geplanten Änderungen sehr massive Eingriffe in eine gewachsene Trauer- und Bestattungskultur, die ihren Sinn hat. Aus der Forschung wie auch der Erfahrung aus der Begleitung von Menschen in Trauer ist bekannt, wie wichtig eine gute Begleitung gerade in der Zeit zwischen Tod und Beisetzung sein kann. Menschen heute haben wenig eigene Erfahrung im Umgang mit dem Tod, es gibt viel Unsicherheit. Zugleich muss in einer kurzen, emotional oft sehr angespannten Zeit vieles entschieden werden, oft ohne die Tragweite auch für den eigenen Trauerprozess abschätzen zu können. So kann es sein, dass pragmatische oder finanzielle Gründe bei der Wahl der Art der Beisetzung den Ausschlag geben. Gerade die kostengünstigen anonymen Bestattungen werden manchmal gewählt, ohne ermessen zu können, wie wichtig ein konkreter Ort des Gedenkens für die eigene Trauer sein kann. Auch gemeinsam in einer öffentlichen Feier von Verstorbenen Abschied nehmen zu können, das ist ja auch ein Sinn der kirchlichen Totenliturgie, fehlt in einigen der neuen Bestattungsformen. Damit ist keine Gelegenheit, dass Nachbarn, Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen gemeinsam ihre Trauer um den verstorbenen Menschen ausdrücken können. Das ist oft für Angehörigen ein wichtiger Trost. Und last not least ist es den Kirchen wichtig, die Würde und den Respekt vor der verstorbenen Person als Geschöpf Gottes auszudrücken - auch in der Form der Bestattung. Und damit verbunden die christliche Hoffnung, dass Gott jeden Menschen als Ganzen mit Namen kennt, liebt und bewahrt, auch über den Tod hinaus.
Mehr Menschen als früher wünschen sich heute eine anonyme Bestattung – auch, damit die Angehörigen keine Arbeit mit dem Grab haben. In Zeiten, in denen weniger Menschen Familie haben oder die Kinder zum Arbeiten wegziehen, ist das ein nachvollziehbarer Wunsch. Welche Alternativen gibt es zu einer anonymen Bestattung, wenn man der Familie die Grabpflege ersparen möchte?
Ja, eine aufwändige Grabpflege können viele nicht mehr leisten und für manche ist das auch fremd geworden. Dennoch gibt es gute und finanziell erschwingliche Möglichkeiten, eine persönliche Grabstätte zu haben. Denn die ist für viele ein wichtiger Trost, um des verstorbenen Menschen zu gedenken, Blumen zum Grab zu bringen oder eine Kerze anzuzünden. Das fängt mit einer schlichten Platte mit Namen und persönlichen Daten in einem Rasenreihengrab an; vielfach gibt es inzwischen auf den Friedhöfen gemeinschaftliche Grabanlagen mit unterschiedlichen Grabarten, die von Friedhofsgärtnern gestaltet und gepflegt werden. Und nicht zuletzt bieten sich Grabstätten in Kirchen an, die keinerlei Pflege brauchen und die als sehr ästhetische, würdevolle Begräbnisorte erfahren werden, Dazu gibt es oft begleitendes Angebot der Seelsorge und Möglichkeiten der Begegnung. Im Bistum Limburg entsteht derzeit in Frankfurt in St. Michael eine solche Begräbniskirche (hier lesen: Bezirk Frankfurt: Baulärm für die ewige Ruhe).
Auch das Pressen von Asche zu Diamanten, zum Beispiel für ein Schmuckstück, soll durch die Novellierung des Gesetzes erlaubt werden. Kann es für die Trauer hilfreich sein, den Verstorbenen als Schmuckstück bei sich zu tragen? Oder ist gerade das Gegenteil der Fall und es ist im Trauerprozess nötig, loszulassen?
Im Einzelfall mag das für Menschen eine passende Form des Trauerns sein, die Nähe zur verstorbenen Person auf diese Weise greifbar zu haben. Umso größer die Not, wenn dieses Schmuckstück verloren geht, wie es leider gar nicht so selten geschieht. Außerdem ist es ein wichtiger Schritt im Trauerprozess, die endgültige Trennung von der verstorbenen Person wirklich zu begreifen - zumindest in der bisher erfahrenen Weise einer körperlichen Gegenwart des Menschen. Dem dienen die Trauerrituale rund um die Beisetzung. Viele spüren dann irgendwann auf eine andere Weise, dass der verstorbene Mensch einen neuen, bleibenden Platz im Leben der Angehörigen bekommt.
Ist es angesichts solcher Neuerungen nötig, auch neue Rituale des Abschiednehmens zu finden? Zum Beispiel, indem ein solches Schmuckstück speziell gesegnet wird, bevor es angelegt wird?
Ja, neue zugängliche Rituale zu entwickeln und die hergebrachten verständlich und persönlich zu gestalten, halte ich für zentral. Gerade bei den sehr privaten oder anonymen Beisetzungsformen wird es in Zukunft wichtiger sein, auch gemeinschaftliche Orte und Formens des Trauerns anzubieten. Trauer ist bei aller Individualisierung nicht nur Privatsache. Gemeinsam mit anderen in ähnlicher Situation Erfahrungen der Trauer zu teilen, ist eine wichtige Unterstützung, das sagen uns Menschen hier im Fachzentrum Trauerseelsorge immer wieder. Auch auf authentische Weise etwas von der christlichen Hoffnung für die Verstorbenen zu hören, kann auch für Menschen, die wenig Kontakt mit der Kirche haben, eine tröstende Aussicht sein. Deswegen ist es wichtig, stimmige Formen für die neuen Bestattungsformen zu entwickeln, wenn sie denn gesetzlich zugelassen werden.
Die Kirchen kritisieren, die neuen Ideen seien zum Teil wenig „würdevoll“. Was sind denn wesentliche Elemente, damit eine Bestattung als „würdevoll“ gelten kann?
Christen vertrauen darauf: Jeder Mensch ist als Geschöpf Gottes auch Gottes Ebenbild. Zugleich hoffen Menschen darauf, dass ihre Lieben auch über den Tod hinaus bewahrt sind. Dazu gehören deren Erfahrungen, Beziehungen und ihre Individualität. Der Name ist ein Symbol für all das. Deswegen ist die es wichtig bei einer Beisetzung den Namen zu nennen, und daran zu erinnern, dass jeder Mensch als Geschöpf Gottes auch von Gott bei diesem Namen genannt wird, zum Beispiel in der Taufe. Auch mit dem Leichnam oder den sterblichen Überresten pietätvoll umzugehen, gehört zu einem würdevollen Umgang. Das kann man zum Beispiel daran merken, wie schmerzlich Angehörige von Vermissten nach ihren Lieben suchen, selbst wenn ihr Tod als sicher gilt. Diesen Leichnam oder seine sterblichen Überreste mit Respekt zu behandeln und beizusetzen, ist ein letzter Liebesdienst und wichtige Würdigung. Darüber hinaus gehört für mich zu einer würdevollen Beisetzung, unsere Hoffnung für den Verstorbenen und die Angehörigen in einer möglichst alle Beteiligten angemessenen und verständlichen Form auszudrücken. Denn Tod und Trauer haben über die persönliche Ebene hinaus auch etwas mit der Gemeinschaft zu tun, wir sind auch soziale Wesen. Und dazu gehört für mich persönlich und als Beauftragte der Kirche auch ausdrücklich die Gemeinschaft mit Gott.