„Warum gehen Sie nicht einfach in den deutschen Gottesdienst?“ Die Frage aus dem Publikum kam vielleicht etwas direkt daher, doch im Grunde interessierte die Antwort sicher viele, die sich an diesem Abend zur Sitzung der Stadtversammlung der Frankfurter Katholikinnen und Katholiken auf den Weg in den Gemeindesaal von St. Markus in Nied gemacht hatten. Gerichtet war sie an Kristina Vrca, kroatische Katholikin, in Frankfurt aufgewachsen. Ihre Antwort war ebenso direkt: „Das ist eine Herzensangelegenheit. Glaube und Sprache hat viel mit dem Herzen zu tun, ich habe auf Kroatisch gelernt zu beten, mein erstes Vater Unser war auf Kroatisch. Die kroatische Gemeinde war ein erster Anlaufpunkt für meine Familie, als sie nach Deutschland kam – und wir sind dort hängengeblieben, dort fühlen wir uns zu Hause.“
Kristina Vrca, die auch Vorstandsmitglied des Stadtsynodalrats, seines Zeichens Entscheidungsgremium der Stadtkirche, ist, diskutierte mit anderen muttersprachlichen Katholiken bei der Stadtversammlung über die Frage: „Wie lebe ich meinen Glauben, mein ,Katholisch-Sein‘ in Frankfurt?“ Die 24 muttersprachlichen Gemeinden sind zentral für die Stadtkirche, die sich im Selbstbild als sozial-interkulturell-spirituell beschreibt. „Es ist eine Aufgabe der nächsten Zeit, diesen Schatz noch mehr zu heben. Er führt uns mitten hinein in das Miteinander von Tradition und Innovation. Und wir nehmen den Auftrag an, der im „Inter“ steckt: Versuchen zu verbinden und Brücken zu schlagen – zuerst bei uns selber“, hieß es entsprechend in der Einladung zu diesem Abend.
Eng mit weltpolitischem Geschehen verknüpft
Auch die Stadtversammlung bildet, als Auszug der großen Menge an Katholikinnen und Katholiken in Frankfurt, eine Gemeinschaft von Menschen verschiedener Herkunft, verschiedener Sprache und mit verschiedenen kulturellen und religiösen Prägungen ab. In ihr spiegelt sich die Vielfalt der katholischen Stadtkirche Frankfurt und die Fülle der weltweiten katholischen Vielfalt. Das wurde auch auf dem Podium deutlich, auf dem Kristina Vrca mit Filimon Yemane von der Eritreischen Gemeinde und Johnson Kadakathalakal von der Indischen Syro-Malabarischen Gemeinde Frankfurt ins Gespräch kam. Moderiert wurde das Podium von HR-Journalistin Jutta-Maria Nieswand, ebenfalls aktiv in katholischen Gremien in Frankfurt.
Dabei war zu hören, dass die muttersprachlichen Gemeinden sehr direkt mit weltpolitischen Geschehnissen verknüpft sind. Filimon Yemane zum Beispiel berichtete, dass er selbst seit 2010 in Deutschland lebe. „Als ich erstmals hierherkam, habe ich eine Community gesucht, weil alles für mich neu war. Hier habe ich eine Heimat gefühlt, das war wichtig für mich, um mich geistlich weiterzuentwickeln“, so der Mann aus Eritrea, der in der Frankfurter Gemeinde Kinder unterrichtet. „Als 2015 und 2016 so viele Geflüchtete aus Eritrea in Deutschland ankamen, ist unsere Gemeinde auch für sie zur Heimat geworden. Jeder ist bei uns wie Bruder oder Schwester, Mutter und Vater geworden.“
Nicht mehr jedes Kind spricht Herkunftssprache
Vertrautes in der Fremde zu finden, das wurde deutlich, ist für viele, die hier ankommen, ganz wesentlicher Grund dafür, sich ihrer muttersprachlichen Gemeinde in Frankfurt anzuschließen. Und auch die, die hier aufgewachsen, vielleicht sogar geboren sind, fühlen sich den Traditionen ihrer Eltern und Großeltern verbunden durch die Glaubensgemeinschaft. „Ich bin hier aufgewachsen und zur Schule gegangen in Bockenheim, Rödelheim und im Westend, habe an der Goethe-Uni studiert, da begegnet man ja von klein auf allen möglichen Nationalitäten“, sagte Kristina Vrca. „Katholisch sein, das fasst für mich die moralischen Werte zusammen, mit denen ich zu Hause aufgewachsen bin und die ich immer auch nach außen getragen habe.“ In ihre Gemeinde kommen sehr viele kroatische Familien. Rund 100 Kinder und Jugendliche gehen jedes Jahr in der kroatischen Gemeinde je zur Kommunion und zur Firmung, viele kroatische Familien entscheiden sich aber auch für Kommunion und Firmung in einer deutschen Gemeinde. Das liegt daran, dass nicht mehr automatisch jedes Kind die Sprache des Herkunftslandes seiner Familie spricht. Für andere ist dies ein zusätzlicher Grund, die Kleinen in die muttersprachliche Gemeinde zu schicken, damit sie im Ritus damit in Berührung kommen.
Der Kontakt zu den deutschsprachigen Gemeinden ist insgesamt gut, berichteten die drei Podiumsteilnehmenden. Es gibt gemeinsame Veranstaltungen, Gottesdienste, Gemeindefeste in den Kirchen, in denen die Muttersprachler eingemietet sind; viele besuchen zwischendurch auch Gottesdienste der deutschsprachigen Gemeinden.
Frankfurt liefert Größe
Und was liefert die Großstadt den internationalen Gemeinden, was sich in kleineren Städten und auf dem Land vielleicht schwieriger gestaltet? „Wir sind in Frankfurt eine Riesengemeinde und bieten viele Aktivitäten für unterschiedlichen Altersstufen an, das geht in kleineren Gemeinden so nicht“, sagte Kristina Vrca. Deshalb kommen Jugendliche auch aus anderen kroatischen Gemeinden hierher, um am Programm teilzunehmen. Filimon Yemane betonte, das Bistum Limburg ermöglicht es seiner Eritreischen Gemeinde, einen eigenen Pfarrer zu haben, weshalb auch aus dem Bistum Fulda die Menschen in die Frankfurter Gottesdienste kämen. „Unser Pfarrer geht aber auch an andere Orte und hält dort einmal im Monat Gottesdienst“, so Yemane. Er berichtete, dass es auch in Düsseldorf und Köln sehr viele eritreische Katholik:innen gebe, aber keinen eigenen Pfarrer. Auch die Indischen Gemeinden in Wiesbaden, Gießen und Hanau sind organisatorisch deutlich kleiner als die in Frankfurt, sagte Johnson Kadakathalakal: „Wir machen Ausflüge für Messdiener, andere Gruppen und bieten verschiedene Aktivitäten, die nur aufgrund unserer Größe möglich sind.“