Biebertal, 22.11.2024
Hört bei Geld die Freundschaft auf?
Wie haben Sie die Zusammenlegung der Pfarreien zur Großpfarrei damals erlebt? Gab es Herausforderungen, unerwartete negative oder positive Entwicklungen?
Es gab mehrere Gruppen, die die Zusammenlegung vorbereitet haben. Ich war damals in der Gruppe „Finanzen“. Man sagt ja immer „bei Geld hört die Freundschaft auf“. Die ersten Treffen dieser Gruppe waren dann auch sehr angespannt.
Doch dann gab es ein Treffen, in dem verabredet wurde, dass man keinen der Kirchorte besser- oder schlechterstellt. Ein Teilnehmer schlug vor, dass Kirchorte, die mehr Geld als andere hatten, einen Teil in die Pfarrei geben und einen anderen kleinen Teil sollte der Kirchort als Rücklage für sich selbst behalten. Als das geklärt war, waren praktisch alle Probleme aus der Welt und die weiteren Treffen liefen reibungslos. Es macht für mich deutlich, dass man, wenn man will und an einem Strang zieht, auch gute Lösungen für alle Probleme und Herausforderungen findet.
Die Auswahl der Pfarrkirche mit dem zentralen Pfarrbüro war ebenfalls eine Heraus-forderung. Wir entschieden uns dann für Biebertal. Dort sollten dann auch alle hauptamtlichen Mitarbeitenden und Sekretärinnen ihre Büros haben. Die nötigen Umbauten in Biebertal waren aber dann doch nicht möglich, sodass die Büros der Mitarbeitenden nun auf die Kirchorte verteilt sind. Durch die Größe der Pfarrei kam noch ein zweites Schwerpunktbüro in Aßlar dazu. Die meisten anderen Kirchorte haben eine Kontaktstelle.
Wie erleben Sie die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Kirchorten der Großpfarrei?
Durch die große Entfernung ist eine Zusammenarbeit schwierig. Wir haben in unserer Pfarrei auch keinen direkten Mittelpunkt, wo sich alle ganz selbstverständlich treffen können, wie zum Beispiel der Dom in Wetzlar.
Mittlerweile werden auch die Ressourcen an Personal oder Finanzen weniger. Da ist oft die Angst groß, dass der eigene Kirchort zu kurz kommt und andere mehr haben oder bekommen.
Wie hat sich die Arbeit innerhalb der Pfarrei verändert, seit es eine Großpfarrei ist?
Ich war ab dem Zeitpunkt nicht mehr nur für den Kirchort zuständig, sondern hatte auch andere Aufgaben. So war ich zum Beispiel nun auch für die Seniorenarbeit in Aßlar und Ehringshausen verantwortlich. Einige Aufgabenbereiche fielen weg, andere kamen dazu oder wurden auf mehrere Kirchorte ausgeweitet. Generell sieht mein Arbeitsalltag immer unterschiedlich aus. Das kommt schon durch die unterschiedlichen Jahreszeiten mit ihren ganz eigenen Aufgaben, zum Bespiel: Sternsingeraktion, Palmstock binden, Gräbersegnung, Kinderkrippenfeier und vieles mehr. Das ist herausfordernd, aber auch sehr spannend und abwechslungsreich. Ich habe mit Menschen aller Altersgruppen zu tun.
Wir haben in der Pfarrei auch neue Einrichtungen, wie zum Beispiel das Familienzentrum („Fiz“: Familie im Zentrum). Hier werden unter anderem Themenabende, Kurse für Eltern und „Eltern-Kind-Gruppen“ angeboten. Außerdem wurde unsere Kirche in Wißmar seit einiger Zeit immer mehr zu einer Kulturkirche mit Ausstellungen und Konzerten. Dazu wurde der hintere Teil der Kirche umgebaut und umgestaltet. Gottesdienste finden weiterhin regelmäßig statt.
Wie wird die Großpfarrei von den Gemeindemitgliedern wahrgenommen und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich denke, die meisten wünschen sich ihre kleine Pfarrei mit eigenem Pfarrer, Pfarrgemeinderat und Verwaltungsrat zurück.
Zu meinem Wunsch für die Zukunft möchte ich mich meiner Kollegin Judith Borg anschließen, die bei unserer diesjährigen Pfarrgemeinderatsklausur in ihren Steckbrief schrieb: „Für unsere Pfarrgemeinde wünsche ich mir eine lebendige und vielfältige Gemeinschaft, die offen und konstruktiv miteinander die nächsten Schritte in eine, manchmal auch schmerzhafte, Zukunft geht. Daran werden wir wachsen.“