Limburg, 26.11.2024
Wasser des Lebens
„Entdecken Sie diese köstlichen Aromen. Ich bemerke Aprikosen und Äpfel. Und Sie?“. Dr. Wolfgang F. Rothe tauchte seine Nase tief in das Gläschen mit Whisky und forderte die Anwesenden auf, es ihm gleichzutun. Tatsächlich, da konnte man fruchtige Spuren erschnuppern. Noch besser: Anschließend konnte man sie auch schmecken! Bei der Whisky-Verkostung in der Villa Konthor gab es fünf verschiedene Sorten des flüssigen Goldes zu probieren. Dazu berichtete der Theologe und Whisky-Kenner Rothe über die Entstehung und die christliche Geschichte der hochprozentigen Spirituose. Kaum einer kennt sich so gut aus wie er, denn schließlich ist er weltweit als „Whisky-Vikar“ bekannt.
Mission und Heilung
Ab dem 5. Jahrhundert begannen Wandermissionare, Irland und Schottland zu christianisieren. Sie brachten den keltischen Völkern wertvolles Wissen und technische Geräte aus der römischen Kultur mit, die in den Klöstern über die Jahrhunderte bewahrt und weiterentwickelt wurden. Dazu gehörte auch die Kunst der Destillation von alkoholischen Getränken. Die Mönche nutzten das wertvolle Getränk damals vor allem, um Menschen zu heilen. Zunächst wurden ihre Spirituosen nämlich zur Herstellung medizinischer Tinkturen genutzt, um verderbliche Wirkstoffe wie Kräuter, Beeren und Wurzeln haltbar zu machen sowie zur Schmerzlinderung und Desinfektion.
Die Mönche bezeichneten ihre Heilmittel als „Wasser des Lebens“ oder „Aqua Vitae“. Diese lateinische Herkunft ist bis heute im nordischen „Aquavit“ zu erkennen. Im Schottischen wurde es als „Uisge Beatha“ und im Irischen als „Uisce Beatha“ ausgesprochen, was mit etwas Vorstellungskraft wie „Whisky“ klingt. Der Begriff „Whisky“ taucht erstmals im Jahr 1736 in schriftlichen Aufzeichnungen auf.
Während auf dem europäischen Festland als Basis meist Wein verwendet wurde – dessen Import auf die Insel teuer und aufwendig gewesen wäre – entwickelten die irisch-schottischen Mönche eine kostengünstigere Methode zur Destillation aus vergorener Getreidemaische. Getreide gab es in Irland und Schottland reichlich.
Über die Jahrhunderte verfeinerten die katholischen Geistlichen hinter Klostermauern ihre Destillationskünste. Aber unter der Reformation und mit der Verbreitung des Calvinismus setzte sich eine genussfeindliche Strömung durch. Anhänger der Säkularisation zerstörten im 16. Jahrhundert die katholischen Klöster. Dazu belegte das ferne London den Whisky mit immensen Steuern und Zöllen.
Damit begannen zwei Jahrhunderte der Schwarzbrennerei und des Schmuggels. „Die stolzen Schotten und Iren haben Whisky aber immer als ihr Recht betrachtet und trotzten den ganzen Erschwernissen aus London“, resümierte Rothe.
Spirituose und Spiritualität
Robin Pitz von der Villa Konthor schenkte in Limburg fünf Whiskys ein, teils knapp 30 Jahre alt und in breiter geschmacklicher Vielfalt: frische Zitrusaromen bis hin zu würzig-rauchigen Tropfen, die an salzige Meeresbrisen an rauen Küsten erinnerten. Dass die köstliche Spirituose ganz eng mit Spiritualität verknüpft ist, deutete Theologe Rothe in vielen Momenten der Verkostung an. Etwa, als er dazu einlud, auch mal etwas Neues, Unbekanntes zu probieren und sich auf Entdeckungen einzulassen. Die Aufgabe der Menschen wäre es, sich mit dem eigenen Potenzial zu beschäftigen und neue Grenzen zu definieren. Und: „Es ist bei einem gelungenen Whisky wie bei uns Menschen: Alle haben ihr je eigenes Erbe, unterschiedliche Herkunft und Eigenschaften. Die Kunst ist, die guten Anlagen zu verstärken für ein ausgewogenes Ergebnis.“
Gastgeber des Abends waren die Katholische Erwachsenenbildung Frankfurt und Limburg (KEB), sowie die Villa Konthor.