LIMBURG, 09.07.2021
Eine wahre Limburger Besonderheit
Der Limburger Domschatz ist sehr schön, sehr wertvoll und sehr selten. Der Schliff der Edelsteine ist besonders und schien einige Jahre einzigartig. Er hätte das Zeug dafür gehabt als Limburger Schliff in die Fachliteratur einzugehen. Leider wurde daraus nichts, denn Forscher fanden einen Schliff, der noch älter war. Eine eindeutige Limburger Besonderheit dagegen ist jedoch die Haupt-MAV/DiAG. Mit einem Abstand von zehn Jahren ist sie die älteste diözesane Arbeitsgemeinschaft der MAVen Deutschlands. Coronabedingt sind die Jubiläumsfeierlichkeiten um ein Jahr verschoben worden und konnten nun unmittelbar vor dem 51. Geburtstag am 13. Juli gebührend gefeiert werden.
Ein einzigartiges Konstrukt
Udo Koser, Vorsitzender der Haupt-MAV/DiAG, machte deutlich, dass das Gremium nicht nur aufgrund seines Alters besonders ist, sondern auch mit Blick auf ihre Kompetenzen einmalig. „Die Haupt-MAV/DiAG ist nicht nur als diözesane Arbeitsgemeinschaft das zusammenfassende, koordinierende und beratene Organ der MAVen, sondern sie tritt auch an die Stelle der einzelnen MAV, wenn das Bischöfliche Ordinariat Festlegungen für die Beschäftigten mehrerer Einrichtungen trifft. Dieses einzigartige Konstrukt gibt der Haupt-MAV/DiAG in Limburg besonderes Gewicht“, betonte Koser. Die MAV/DiAG sei nicht nur Repräsentant der Mitarbeitervertretungen des Bistums, Sprachrohr, Koordinator und Rechtsberater, sondern könne konkret Anträge an das Bistum stellen oder Dienstvereinbarungen abschließen. Bestimmte Entscheidungen könnten von der bischöflichen Verwaltung nicht ohne Zustimmung der Haupt-MAV/DiAG getroffen werden. „Hier zeigt sich in der Tat eine Limburger Besonderheit, eine Mitbestimmung, aufgebaut auf allen kirchlichen Ebenen. Die MAV für die betriebliche Ebene, die Gesamt-MAV bzw. erweiterte Gesamt-MAV auf der Konzernebene und die Haupt-MAV/DiAG auf Ebene des Bistums“, sagte Koser. Er erinnerte daran, dass Mitbestimmung der Mitarbeitenden in der Diözese eine lange und gute Tradition habe. Ebenso gebe es den Willen, neue Wege zu beschreiten und sich an das Umsetzen von ungewöhnlichen Ideen zu machen, im Bistum Limburg schon sehr lange. „Im Arbeitsrecht haben wir seit 50 Jahren einen besonderen Weg. Das ist noch nicht so lange und nicht so alt, wie die Edelsteine des Limburger Domschatzes, aber doch äußerst beachtlich, gerade, wenn man bedenkt, dass der Limburger Schliff des Arbeitsrechtes eben nicht nur hoffnungsvolle Gründer- und Aufbauzeiten hatte, sondern auch schwere Phasen zu meistern hatte. Hier sei nur mal der Sturm in der Badewanne benannt“, so Koser. Das Wissen, um die Limburger Besonderheit, habe jedoch geholfen auch schwierige Zeiten und Situationen zu bewältigen.
Gründungszeit war geprägt vom Aufbruch
Harald Kalteier, der Mann der ersten Stunde und der erste Vorsitzender der Haupt-MAV/DiAG, erinnerte an die schwierige Zeit des Aufbaus und an die Aufbruchsstimmung, die in den 1970er Jahren im Bistum Limburg überall zu spüren gewesen sei. „Ich hatte mich als junger Mann für die Arbeit in der Kirche gewinnen lassen. Das Zweite Vatikanische Konzil mit seinem Aufbruch prägte mich und es war eine Zeit mit vielen Möglichkeiten“, erzählte Kalteier. Viele Türen seien damals geöffnet worden und er sei mit vielen Freunden damals durchgegangen. So seien in Limburg Grundlagen entwickelt worden, die bis heute tragen und wegweisend für andere seien.
Hören als Grundvoraussetzung für Dritten Weg
Als die Haupt-MAV/DiAG im Bistum Limburg gegründet wurde, war Bischof Georg gerade zur Erstkommunion gegangen. „Damals habe ich an Mitarbeitervertretungen, an Dritten Weg und an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst noch nicht gedacht“, sagte Bätzing. 50 Jahre seien aber ein Zeitsprung und ein zeitgeschichtliches Zeugnis. Und 50 Jahre seien ein Anlass zum Danken. Für den Bischof ist das Zuhören können, eine wichtige Grundvoraussetzung dafür, dass der Dritte Weg gelingen kann. Zuhören sei für das richtige Streiten können und wollen wichtig. Es gehe darum, hinzuhören auf Bedarfe und Missstände, auf Personen, die vertreten und vertreten können. „Ich danke Ihnen allen für Ihr Zuhören in die unterschiedlichsten Richtungen. Als Vertretungen in den MAVen ist es Ihre Aufgabe, hinzuhören in die betrieblichen Zusammenhänge, in die Mitarbeiterschaft. Sie müssen hinhören, wo der Schuh drückt, wo Bewegung und Veränderung notwendig ist. Sie müssen hören, wo Arbeitsrecht nicht mehr passend ist und Anpassung braucht. Hören Sie zu und sprechen Sie aus, was Sie wahrnehmen“, ermutigte Bätzing. Das Zusammenspiel zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer könne ohne Zuhören nicht gelingen. Es dürfe nicht missbraucht werden, sondern müsse auf dem Vertrauen aufbauen, dass man nur im Miteinander die besten Wege für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kirche finden könne. Es müsse darum gehen, ein gutes Maß an Engagement zu ermöglichen und die besten Arbeitsbedingungen zu gewähren.
Kein Abgesang, sondern ein Hoffnungszeichen
Vertrauen ist auch für Domkapitular Wolfgang Rösch, Generalvikar des Bischofs von Limburg, der Schlüssel für ein gutes und fruchtbares Miteinander. „Ich bin wirklich froh, dass es die Haupt-MAV/DiAG im Bistum Limburg gibt. Das 50. Jubiläum soll daher kein Abgesang oder Beerdigungskaffee, sondern eher wie eine Goldhochzeit sein, die man dankbar und hoffnungsvoll feiere“, so Rösch. Aufgaben gebe es nämlich viele und es müsse darum gehen, dem Dritten Weg und der Dienstgemeinschaft eine Zukunft zu geben. Oft werde der Dritte Weg nur auf die Grundordnung beschränkt und als Instrument der Disziplinierung gesehen. Diese Sicht greife jedoch zu kurz. Es gehe eigentlich um den Schutz von Würde und daraus erwachse eine Verantwortung für die Welt. „Unterschiedliche Meinungen und Streit gehören zum Leben und sie gehören auch zum Zusammenspiel von Dienstnehmern und Dienstgebern. Wir wollen gemeinsam besser werden, daher brauchen wir keine Angst vor Streit haben. Wenn wir respektvoll miteinander streiten, geben wir Zeugnis und verändern Kultur“, sagte Rösch. Es gehe letztlich wirklich darum, der Welt etwas Gutes zu tun und auszustrahlen. Gott traue dem Menschen dies zu. Die MAVen im Bistum haben seiner Auffassung nach immer einen Gestaltungsauftrag. „Als Haupt-Mav/DiAG stehen Sie auf Augenhöhe mit der Bistumsleitung. Ich wünsche mir, dass Sie das erleben. Und ich wünsche Ihnen Spaß am Gestalten, Spaß am Streiten, Spaß am Auftrag, den Kirche für die Welt hat. Ich bin stolz auf Sie“, so Generalvikar Rösch.
Dank für Solidarität und Gerechtigkeit in der Arbeitswelt
Glückwunsche zum Jubiläum gab es von der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB) und von der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland (KFD). Martin Mohr, Diözesansekretär der KAB-Limburg, dankte für 50 Jahre Einsatz für Solidarität und Gerechtigkeit in der Arbeitswelt. „Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kirche haben Anteil am gemeinsamen Sendungsauftrag. Um diesem Auftrag gerecht zu werden, braucht es Mitbestimmung, braucht es Partizipation“, so Mohr. Die Haupt-MAV/DiAG fördere genau dies und streite für gerechte Löhne, für faire Bedingungen und für Gleichberechtigung. Mohr sicherte der Haupt-MAV/DiAG auch künftig die Unterstützung der KAB zu, denn es gehe immer um das Wohl der Menschen.
Susanne Winnekens-Udovic von der KFD-Limburg ist ebenfalls genau dieser Blick auf den Menschen wichtig. „Es ist gut, dass die MAV-Arbeit von Limburg aus seinen Siegeszug begonnen hat. Gleiche Bezahlung, Gerechtigkeit im Arbeitsleben, fundierte rechtliche Kenntnisse und Schulungen zeichnen Euer Tun aus. Dafür sind wir von der KFD sehr dankbar“, so Winnekens-Udovic.
Als Freund und Partner sieht der rheinland-pfälzische Sozialminister Alexander Schweitzer die Haupt-MAV/DiAG im Bistum Limburg. Er überbrachte die Glückwünsche der Landesregierung und von Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Das Jubiläum sei ein historischer Grund zum Feiern. Man dürfe dankbar sein für das, was erreicht wurde und hoffnungsvoll auf das schauen, was vor einem liege. „Das soziale Gesicht unseres Landes wäre nicht das gleiche, ohne ihr Engagement und ohne ihr Wissen um die katholische Soziallehre“, so der Minister.
Nicht mehr Knechte, sondern Freunde
Ein Impulsgeber der Jubiläumsfeier war Pfarrer Paul Schobel. Er ist ein Pionier der Betriebsseelsorge in Deutschland und setzt sich seit Jahrzehnten für Arbeitnehmerrechte ein. Für ihn ist dieser Einsatz auch biblisch begründet. In der Heilige Schrift heiße es nämlich, dass auch Knechte, Freunde Gottes werden und ihnen von Jesus alles mitgeteilt wurde, was er vom Vater gehört habe. In diesem Freundschaftsanspruch stehe der kirchliche Dienst. „Wir gehören durch unsere Taufe zum Freundeskreis Jesu. Diese Freundschaft knipst ein Arbeitsvertrag nicht aus. Die Freundschaft Jesu muss unser Arbeiten und unsere Kirche durchdringen“, fordert Schobel. In der Kirche dürfe es keine Knechtschaft, keine Unterdrückung und Abhängigkeit mehr geben. Gott habe davon befreit. Deshalb brauche es in der Kirche auch eine andere Führungskultur. Macht sei nämlich nur ausgeliehen und auf Zeit verliehen. Man müsse sie gut bestellt zurückgeben. „Hierarchie ist keine jesuanische Erfindung“, so Schobel. In kirchlichen Arbeitsverhältnissen müssten daher die Ansprüche der Freundschaft gelten. Dies bedeute, dass es ein Miteinander auf Augenhöhe und Transparenz gebe. Die Kirche brauche Führungskräfte, die entscheidungsstark und verlässlich seien. „Die MAVen müssen Führungsschwäche und Führungsversagen offenlegen“, sagte Paul Schobel.
Appell für die Weiterentwicklung des kirchlichen Arbeitsrechts
Den Festvortrag beim Jubiläum hielt die Juristin Karin Spelge. Sie ist Vorsitzende Richterin am Bundesarbeitsgericht. Sie machte deutlich, dass die Kirchen massiv in der öffentlichen Wahrnehmung stehen und dies nicht unbedingt positiv. Die Unruhe und Kritik gehe nicht spurlos am kirchlichen Arbeitsrecht vorbei. Die umgreifende Säkularisierung betreffe auch das kirchliche Arbeitsrecht. Es müsse sich zeigen, ob sich das kirchliche Arbeitsrecht in diesem Umfeld bewähren und weiterentwickeln könne. Dies gelte auch für den Dritten Weg. Eindringlich plädierte sie dafür, aktiv zu werden, das Gespräch zu suchen und das kirchliche Arbeitsrecht weiterzuentwickeln. Dies gelte vor allem auch bei wichtigen Themen wie Streik in kirchlichen Einrichtungen oder auch das Mitwirken von Gewerkschaften im kirchlichen Bereich.
Moderiert wurde das Jubiläum vom Journalisten und evangelischen Theologen. Wolfgang Thielmann. Es gab zudem musikalische „Einspieler“ vom Duo Camillo und von Principium Canti.