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WIESBADEN, 17.11.2022

Bunt, vielfältig und mutig

Lob, Dank, Glückwünsche und einige kritische Impulse hatte Bundespräsident a.D. Christian Wulff im Gepäck für den Abend der Begegnung in Wiesbaden zum 125-jährigen Bestehen des Diözesancaritasverbandes. Rund 150 Gäste aus Kirche, Politik und Gesellschaft feierten mit.

„Menschen in ihrer jeweiligen Einzigartigkeit in den Mittelpunkt zu stellen, das macht für mich Caritas attraktiv und unverzichtbar“: Das hat der ehemalige Bundespräsident Christian  Wulff beim Abend der Begegnung zum 125-jährigen Bestehen des Caritasverbandes für die Diözese Limburg (DiCV) am Mittwoch, 18. November, in Wiesbaden gesagt. Vor rund 150 geladenen Gästen aus Kirche, Gesellschaft und Politik drückte Wulff seine Freude darüber aus, dass er den dienstältesten Diözesancaritasverband ehren dürfe, und gratulierte nicht nur zum Jubiläum, sondern auch zu dem dafür gewählten Motto „sozial.politisch.engagiert.“ Im vorausgehenden Dankgottesdienst in der St. Bonifatiuskirche hatte Domdekan Dr. Wolfgang Pax darauf hingewiesen, dass es gleich zwei Gründe gebe, in der Landeshauptstadt zu feiern. Hier hatte der Priester Matthäus Müller im Kolpinghaus in der Dotzheimer Straße zusammen mit anderen Engagierten den Verband am 30. November 1897 gegründet. Zudem sei Wiesbaden Sitz des Hessischen Landtags, sagte Pax, der das Kommissariat der katholischen Bischöfe in Hessen leitet.

 „Wir sind sichtbar“, stellte in seiner Begrüßung im Roncalli-Haus Jörg Klärner fest, der zusammen mit Dr. Karl Weber die Doppelspitze des Verbandes bildet. Für diese Sichtbarkeit sorgten nicht nur die weißen oder roten Fahrzeuge der Pflegedienste mit dem Flammenkreuz, sondern die vielfältigen Angebote, ob für Kinder, Jugendliche und Familien, im Bereich der Wohnungslosenhilfe, der Flucht und Migration. Die Caritas werde wahrgenommen im Sinne konkreter Hilfe für Menschen, die Unterstützung, Betreuung, Beratung, Begleitung oder Pflege benötigten, so Klärner. Bis heute fänden sich in den Statuten der Caritasverbände die zur Gründung festgelegten Kernaufgaben des Verbandes wieder: die Bündelung von Kräften, das Schaffen von Hilfenetzen, das Kooperieren statt Konkurrieren, die Fachlichkeit und die Professionalisierung.  Weiterhin gelte es, in der Gesellschaft ein Gespür für die soziale Lage der Menschen zu entwickeln und dies zu kommunizieren. Den Gründervätern sei es hier auch um das sozialpolitische Engagement gegangen, sagte der Caritasdirektor. „Wir schauen als Institution und als Bewegung dorthin, wo Menschen in schwierigen, prekären oder hilfebedürftigen Lebenssituationen sind, und wir handeln.“ Dazu gehöre auch, nach den Ursachen zu fragen und danach, was gesellschaftlich und politisch dafür getan werden könnte, um die Situation zu verbessern, um Menschen dazu zu befähigen, ihr Leben selbstbestimmt und in Würde zu leben.

Sprachrohr für Hilfebedürftige

Als wichtigen Partner der hessischen Landesregierung in vielen sozialen und sozialpolitischen Fragen, bezeichnete Anne Janz, Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration, den Diözesancaritasverband in ihrem Grußwort. Die Mitglieder, haupt- und ehrenamtlich, die eine Vielzahl sozialer Dienstleistungen erbrächten, „machen etwas aus von der Wärme in unserem Land“. Die Zusammenarbeit des Verbandes mit ihrem Ministerium sei von einer konstruktiven und wertschätzenden Haltung geprägt. Ausdrücklich würdigte Janz das Engagement für eine solidarische Gesellschaft. „Sie persönlich agieren als Sprachrohr für die Menschen, die ganz besonders auf die Unterstützung unserer Gesellschaft angewiesen sind.“

 

Einen Nerv getroffen

Wie vielfältig der Verband selbst aufgestellt ist, davon konnte sich die Festversammlung durch das „Making-of Video“ zur Imagekampagne „Die Caritas zeigt Gesicht“ überzeugen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stünden für einen Sozialverband im Bistum Limburg, der sich seit 125 Jahren in ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Situationen sozialpolitisch engagiere, kommentierte Diözesancaritasdirektor Dr. Karl Weber. Bei seiner Ankündigung des Festredners erinnerte Weber an dessen vielzitierten Satz „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Wulff habe damit 2010 einen Nerv getroffen und Entwicklungen für den Zusammenhalt auf den Weg gebracht, die notwendiger denn je seien.

Christian Wulff selbst zollte der Caritas-Kampagne in seiner Ansprache viel Anerkennung: Sie gewähre einen ungewohnten und ehrlichen Blick in die moderne, bunte, ambitionierte Caritasfamilie, so erreiche sie auch die Herzen, nicht nur den Verstand. Wohlfahrtsverbände wie die Caritas, so seine Überzeugung, könnten ihre Arbeit nicht erfolgreich leisten, wenn sie sich nicht auf Menschen verschiedener Herkunft und unterschiedlicher Prägung verließen. „Unser Gemeinwesen ist auf Menschen in all ihrer Vielfalt angewiesen“, betonte der Bundespräsident a.D.. Angesichts des Fachkräftemangels brauche es weiterhin Zuwanderung und Weltoffenheit.

Unendlich viel Luft nach oben

Kritische Worte fand Wulff im Blick auf die katholische Kirche, die seiner Meinung nach vor großen Problemen und Herausforderungen stehe, die früher hätten angegangen werden müssen. Als „kleiner Katholik an der Basis“ wünsche er sich angesichts des rasanten Mitgliederschwunds ein bisschen mehr Mut, sich zu verändern. Es gebe zwar eine Reformbereitschaft, aber zugleich „unendlich viel Luft nach oben.“ Dabei sei die wichtige Rolle der Kirche für die Gesellschaft sehr gut zu begründen, sagte Wulff, und verwies unter anderem auf die Stärkung des Zusammenhalts und der Solidarität. Er selbst sei aus eigenem Erleben enthusiastisch im Blick auf die Rolle der Christen, bekannte er mit Bezug auf die Ereignisse rund um seinen Rücktritt 2012. Die positiven Briefe, die ihn in dieser Situation erreicht hätten, „waren fast alle christlich motiviert.“ Das sei für ihn eine unfassbare Erfahrung gewesen. Dem Diözesancaritasverband gab er den ausdrücklichen Wunsch mit auf den Weg, weiter mutig und progressiv zu bleiben und „ein Brückenbauer zwischen der Zivilgesellschaft und der Kirche.“

Stellvertretend für all die Mitarbeitenden, von denen an diesem Tag immer wieder die Rede war, kamen drei von ihnen im einleitenden Gottesdienst zu Wort. Margit Baum begleitet ehrenamtlich als Hospizhelferin Menschen, die schwer krank sind und sterben werden. Sebastian Schneider ist hauptamtlich in der Migrationsberatung tätig und die Ordensschwester Simone Hachen ist seit fünf Jahren als Sozialarbeiterin in sozialen Brennpunkten unterwegs. Das Thema der für das Engagement jeweils nötigen Ressourcen griff in seiner Predigt Domdekan Pax auf. Menschen in der Caritas und in anderen Feldern hätten etwas anvertraut bekommen, Glaube, Hoffnung, Liebe, prophetischer Mut oder die Verantwortungsbereitschaft eines Hirten oder die Barmherzigkeit eines Samariters: Und mit diesen Ressourcen „sind wir Menschen, die Prokura haben, zu handeln“. 125 Jahre Caritas seien 125 Jahre gelebte Prokura, mit den Ressourcen des christlichen Glaubens Not zu lindern. Dass einfaches Aufbewahren – auch in überkommenen Ritualen - keine Option sei, gelte für den gesamten Glauben, unterstrich Pax. Nur in aktiver Verbindung, Kommunikation und Begegnung mit der Gegenwart könne das Aufbewahrte weitergegeben und lebendig gehalten werden. Persönlichen Glauben, gemeinschaftliches Leben, die Lebendigkeit eines Evangeliums: Mit diesen Ressourcen täglich umzugehen, schaffe den zugesagten Mehrwert für alle.

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