FRANKFURT, 05.07.2023
Einfach um Mauern herum gehen und nicht davor stehen bleiben
Manchmal erlebt man Impulse und Anstöße, die wirklich etwas verändern. Manchmal kann man selbst etwas verändern und andere stärken und motivieren – auch in ihrem Glauben. Die Frauen*Predigtwoche im Oktober ist eine solche Gelegenheit, als Laie aktiv Bewegung in die Katholische Kirche zu bringen. Unter dem Motto „Frauen*power – wir ergreifen das Wort – inspiriert von Teresa von Ávila und anderen klugen Frauen“ findet die Frauen*Predigtwoche von Samstag, 7. Oktober, bis Sonntag, 15. Oktober 2023, zum dritten Mal bistumsweit statt. Eine von denen, die sich zu Wort melden, ist Bettina Ickstadt. Sie ist Pastoralreferentin in Sankt Margareta Frankfurt. Das Gespräch mit ihr führte Annette Krumpholz, KEB.
Frau Ickstadt, was genau macht eine Pastoralreferentin eigentlich?
Eine Pastoralreferentin ist eine Diplomtheologin, die eine zweijährige Assistenzzeit in einer Kirchengemeinde gemacht hat. Wo sie dann als Seelsorgerin eingesetzt wird, ist ganz unterschiedlich. Ich habe mich dafür entschieden im Gemeindedienst zu bleiben. Ich bin derzeit im Frankfurter Westen für die Vorbereitung der Kinder auf ihre Erstkommunion zuständig. Da sind wir gerade in der heißen Phase vor den Gottesdiensten in den fünf Stadtteilen. Die Kinder sind toll, aber die ganze technische Planung ist nervenaufreibend. Außerdem bin ich in der Schule, im Beerdigungsdienst und betreue das Pfarreiprojekt „Abenteuer Glaube - Kirche im Grünen“ eine Art „open-air-Dependance“ unserer Pfarrei.
Das klingt, als seien Sie eigentlich ganz schön ausgelastet. Warum jetzt auch noch predigen?
Gute Frage! Die habe ich mir auch schon gestellt. Denn bei uns in der Pfarrei gibt es viele gute Möglichkeiten zum Predigtdienst. In Gottesdiensten ohne Wandlung ist das ja erlaubt und auch für Nicht-Theolog*innen möglich. Für unsere Gemeindemitglieder ist das Predigen von Frauen und Männern im Gottesdienst deshalb gar nichts Besonderes mehr. Aber von Kolleg*innen weiß ich, dass es außerhalb von Frankfurt schon nicht immer ganz so einfach ist, als Frau das Wort Gottes auslegen zu dürfen. Das hängt viel vom Pfarrer der Pfarrei ab. Der hat das Sagen und darf bestimmen. Leider!
Deshalb sollen die, die problemlos predigen dürfen, das auch tun.
Vielleicht erhöht das den Druck auf die unwilligen Pfarrer. Vielleicht fragen dann Gemeindemitglieder: Warum darf denn Frau XY bei uns nicht auch mal in der Predigtwoche predigen?
Die Predigtwoche kann da eigentlich nur ein Blitzlicht sein, dass beleuchtet: Hey, es gibt Frauen, die predigen und der Himmel fällt ihnen nicht auf den Kopf. Es geht also! Und sogar der Bischof gibt ihnen in dieser Woche Rückendeckung. Allein dafür lohnt es ich mitzumachen, um Vorbild zu sein, um Mut zu machen.
Können Sie uns schon ein bisschen verraten – um was geht es bei Ihrer Predigt?
(Lacht) Nein, ich habe mir die Textstelle noch nicht angeguckt. Bis Oktober ist noch jede Menge Zeit. Wenn bis zu den Sommerferien alle Erstkommunionen stattgefunden haben, werde ich einen ersten Blick auf die Texte werfen, mir eine der vorgeschlagenen Bibelstellen aussuchen und damit eine Weile schwanger gehen. Auf alle Fälle werde ich die Bibelstelle aus Frauensicht aufgreifen. Denn als Frau kann ich gar nicht anders. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder, die mittlerweile erwachsen sind. Mein Blick auf die Geschichten in der Bibel ist zwangsläufig ein anderer als von einem ehelos lebenden Mann ohne Erfahrungen im Familienmanagement. Deshalb ist es ja so wichtig, dass auch Frauen ihre Sicht von Gott in Worte fassen. Gott ist so vielfältig. Wir brauchen diese Vielfalt auch bei den Menschen, die uns von Gott erzählen und dabei ihre Gottes- und ihre Lebenserfahrungen mit einbeziehen.
Was macht eine gute Predigt aus?
Leider bin ich selbst eine schlechte Predigthörerin. Ich bin schnell gelangweilt und mache mir dann meine eigenen Gedanken. Deshalb finde ich, eine gute Predigt muss mich in den ersten Sätzen abholen. Es muss mich interessieren, was kommt. Entweder muss es ein Gefühl bei mir ansprechen oder etwas Interessantes in Aussicht stellen. Und natürlich muss ich das Gefühl haben, der Mensch der dort steht und predigt, ist authentisch. Er meint das, was er sagt.
Gut gefällt mir auch, wenn es einen Bezug zu meinem aktuellen Leben gibt. In der Bibel finden sich immer wieder Antworten auf aktuelle Fragen. Die Frage, wie Jesus zu den Frauen steht, hat er z. B. klar beantwortet indem er damals geltende Grenzen überschritten und neue Maßstäbe im Umgang mit Frauen gesetzt hat. Schade, dass die Kirche diese Vorreiterrolle bei der Gleichberechtigung der Frauen längst verloren hat. Jetzt hinken wir absolut hinterher.
Was soll mit der Predigtwoche erreicht werden? Das kann doch bei der männlichen Dominanz nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein…
Im Idealfall sagen die Gemeindemitglieder: Die Predigt hat uns was gegeben! Wir wollen, dass diese Frau öfter predigt. Und wenn es nicht in der Eucharistiefeier sein darf, dann gehen wir halt in die Gottesdienste ohne Wandlung. Man kann sich an der männlichen Dominanz abarbeiten. Aber das kostet Energie. Wenn ich irgendwo an eine Mauer stoße, kann ich mich natürlich davorstellen und versuchen sie zu verschieben. Aber alternativ kann ich auch gucken, wie ich um diese Mauer herumkomme.
Jeder Mensch muss mit seiner Energie haushalten. Und ganz ehrlich, welcher Mensch, der nicht in der innerkirchlichen Bubble lebt, interessiert sich heutzutage noch dafür, ob eine Frau in der Eucharistiefeier predigen darf oder nur in einem sogenannten Wortgottesdienst?
Das Motto ist „Frauen*power – wir ergreifen das Wort – inspiriert von Teresa von Ávila und anderen klugen Frauen“. Was hat eine Heilige, die vor 500 Jahren gelebt hat, mit unserem heutigen Leben zu tun?
Sich an kluge Frauen zu erinnern ist nie verkehrt! Und es hat einen Wert an sich, daran zu erinnern, dass es zu allen Zeiten Frauen gab, die das Wort Gottes verkündet haben. Die meisten von ihnen haben in einer Ordensgemeinschaft gelebt. Als einzelne Frau wären sie damals untergegangen. Ganz pragmatisch sollten wir uns davon abgucken, dass wir Frauen uns besser vernetzen müssen, um gehört zu werden. Ich gehe davon aus, dass wir dazu heute nicht unbedingt in ein Kloster eintreten müssen.
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>> Anmeldungen für die Predigtwoche sind bis 21. Juli 2023 möglich: bei Marion Stillger vom Referat für Mädchen und Frauenarbeit im Bistum Limburg, per E-Mail an frauen@bistumlimburg.de oder telefonisch 06431 295 380.
Über die Frauen*Predigtwoche
Im Bistum Limburg findet die Frauen*Predigtwoche bereits zum dritten Mal statt. Unterstützt wird sie auch von der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands – kfd, Diözesanverband Limburg. Die kfd gehört zu den Mitgliedsverbänden der Katholischen Erwachsenenbildung im Bistum Limburg (KEB).
Für den Leiter der KEB, Johannes Oberbandscheid, ist die Laienpredigt auch eine Ausprägung des lebensbegleitenden Lernens. Er betont die Rolle der Bildung für einen stabilen gesellschaftlichen und innerkirchlichen Zusammenhalt: „Dass Einzelne neue Wege gehen, sich etwas trauen und zutrauen, ist ganz essentiell für eine gelingende Gemeinschaft. Grundlage dafür ist Bildung – sie ist Basis für Neuerungen.“ Das Erleben von Selbstwirksamkeit, dass die eigenen Taten und eigenen Worte zu Veränderungen und Verbesserungen für alle führen, sei wichtig für ein erfülltes Leben ergänzt Johannes Oberbandscheid. Und weiter: „Letztlich ist die Laienpredigt damit auch ein Element der Erwachsenenbildung.“
Die Frauen*Predigtwoche steht in Einklang mit dem auch von der Mehrheit der deutschen Bischöfe beschlossenen Handlungstext „Verkündigung des Evangeliums durch Laien in Wort und Sakrament“ des Synodalen Wegs.