Rüdesheim, 11.10.2023
„Der Christus schaut uns an“
Bildergalerie
RÜDESHEIM.- „Bitte gehen Sie schon mal nach vorne in die Kirche und setzten sich auf die Kirchenbänke rechts und lassen Sie die ersten beiden Reihen frei“. So eröffnet Marianne Blumbach ihre Prüfung zur Kirchenführerin in der Kirche St. Hildegard in Rüdesheim. Roland Büskens und Paula Martin von der Katholischen Erwachsenenbildung im Bistum Limburg (KEB) sind angereist, um ihrer Kirchenführung zum Thema „Die Malereien in der Abteikirche als ein Beispiel der Beuroner Schule“ zu lauschen. Es ist die Aufgabe des Referents für Theologische Erwachsenenbildung und der Pädagogin und Kunsthistorikerin, die Führung zu bewerten.
Fast 30 Besucher sind gekommen, auch einige Pilger stoßen spontan dazu. Um die schönen Fresken auf den Kirchenwänden besser erkennen zu können, schaltet Benediktinerin Schwester Hiltrud das Licht in der Kirche St. Hildegard an. Sie selbst ist ebenfalls ausgebildete Kirchenführerin, zwar nicht durch die KEB, aber mit gleicher Liebe zu Kirchen. .
Marianne Blumbach ergreift als erste Rednerin das Wort und erklärt, dass die Gemälde der Kirche als Ganzes konzipiert und innerhalb von sechs Jahren fertiggestellt wurden. Sie gehören zur Beuroner Schule (1880 – 1920) und zeugen von Einflüssen des Jugendstils, der byzantinischen Kunst und sogar der alten ägyptischen Malereien.
Das wichtigste Kunstwerk in der gesamten Kirche: Der Weltenrichter in der Apsis. Sein Gesicht ist nahezu symmetrisch angelegt und mit Absicht „übernatürlich“ proportioniert. Mit weit geöffneten Armen lädt er die Besucher ein und verweist zugleich auf die übrigen Malereien an den Wänden.
Adam und Eva im Neuen Testament
Nun bittet Marianne Blumbach die Besucher aufzustehen und die Malereien an der Hochschiffwand zu betrachten. Was fällt auf? Linker Hand sieht man neutestamentliche Themen, gegenüber, rechts, Schilderungen aus dem Alten Testament. Nur an einer Stelle, ganz am Anfang, stockt man: Hier sind Adam und Eva zu sehen mit Christus in ihrer Mitte. Die angehende Kirchenführerin erklärt diese Besonderheit: Jesus Christus wird als der neue Adam präsentiert.
Nach genau 30 Minuten, der vorgegebenen Zeit, beendet Marianne Blumbach ihre Kirchenführung und weist auf den Spruch über der Eingangstür von St. Hildegard hin. Dort steht: „Mach es so, wie es dir gezeigt wurde auf dem Berg“ – das aus der Führung mitzunehmen empfiehlt sie den Besuchern. Jedoch reicht das Interesse vieler Besucher noch weiter, daher stellen sie Fragen, die Marianne Blumbach gelassen beantworten kann.
Kirchenführerin Nummer 46
Nach der Führung erzählt Marianne Blumbach (72), dass sie schon immer kunst- und kircheninteressiert gewesen sei und nun im Ruhestand die sich ergebene Chance ergriffen habe, die Ausbildung zu absolvieren. Ihr Interesse stellte sie auch mit einer umfangreichen Hausarbeit zum Thema unter Beweis, von der auch die Prüfer begeistert waren.
Das Feedback fällt sehr gut aus. „Sie hat viel gelernt bei uns“, sagt Prüfer Büskens augenzwinkernd, wobei Prüferin Martin ergänzt: „und natürlich auch mitgebracht“. Insbesondere für ihren souveränen Umgang mit der schwierigen Akustik, aber auch dafür, dass sie zunächst die Bilder beschrieb und dann langsam in die Theologie der Bilder einstieg, wurde von beiden Prüfern gelobt. Sie selbst bedankt sich bei der KEB für „das tolle Material“ und plant schon bei dem nächsten Modul zur „Romanik“ mitzumachen - nur diesmal ohne Prüfung.
Frauen in der St. Hildegard-Kirche
Auch Angelika Dortmann (66) schließen sich fast 30 Interessierte an, die sich für das Thema „Diese ganzen Frauen – Weiblichkeit im Bild“ interessieren. Die zweite angehende Kirchenführerin beginnt im Kirchenportal vor einer Plastik von Karl-Heinz Oswald. Anders als ihre Vorgängerin geht sie auch auf die Historie des Klosters und auf die Biografie der Heiligen Hildegard ein, die erst 2012 heiliggesprochen wurde.
Angelika Dortmann bittet die Besucher, mit ihr in die Kirche zukommen, und zeigt ihnen die Malereien auf der linken Wand, auf denen der Lebensweg St. Hildegards zu erkennen ist mit den wichtigsten Stationen bis zu ihrem Tod 1179. Immer wieder bezieht Dortmann das Vergangene auf das Heutige, beispielsweise dass die jetzige, erst in diesem Jahr neugewählte Äbtissin Sr. Katharina Drouvé OSB die 41. Nachfolgerin der Heiligen Hildegard ist.
Zum Schluss erklärt Angelika Dortmann, die die Prüfung natürlich ebenfalls bestanden hat, dass es ihr bei ihrem Themenschwerpunkt darum ging, starke Frauen zu zeigen. Diese hat sie den Besuchern nicht nur anhand der Bilder nahegebracht, sondern auch, indem sie Sr. Hiltrud das Wort erteilte und die wiederum unter Beweis stellte, dass sie für ihre 82 Jahre noch sehr fit und wortgewandt ist.
47 Kirchenführer im Bistum Limburg
Einige der Freunde und Familie bleiben anschließend, um Applaus bei der Zertifikatsverleihung zu spenden. Roland Büskens und Paula Martin halten kurze Ansprachen und die Äbtissin Sr. Katharina Drouvé OSB überreichen die Urkunden.
Über die Ausbildung zum Kirchenführer
Die KEB bietet seit zwölf Jahren die Ausbildung zum Kirchenführer an. Seit sechs Jahren handelt es sich hierbei um eine sogenannte „modulare Ausbildung“, was bedeutet, dass insgesamt vier Module, also verschiedene Themenschwerpunkte, wie beispielsweise Historismus, Glasmalerei oder eine bestimmte Epoche, abgeschlossen sowie jeweils drei Präsenztage besucht werden müssen. In den Modulen wird auch die Durchführung einer Kirchenführung geübt und man erhält reiches Feedback zu verschiedenen Aspekten wie Sprache, Stil und Informationen. Pro Jahr werden von der KEB im Bistum Limburg zwei Module angeboten.
Zudem wird zahlreiches Material online bereitgestellt, durch das man sich weiterbilden kann. Bei der KEB Wiesbaden wird diese Qualifizierung internetgestützt angeboten, was einmalig in Deutschland ist. Insgesamt hat die KEB durch ihr erfolgreiches Konzept – mit den beiden neuen Kolleginnen - 47 Kirchenführer:innen ausgebildet. Die Qualifizierung der KEBist vom Bundesverband Kirchenpädagogik zertifiziert.
Weitere Infos zur „Qualifizierung Kirchenführung“ unter www.keb-wiesbaden.de