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Dernbach, 28.01.2024

Die Wirklichkeit ist freundlich

Die Religiösität geht massiv und rasant zurück. Dies belegt die neue Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. Der DSR hat sich nun intensiv damit befasst

Die Religiösität in Deutschland geht massiv und rasant zurück. Konfessionelle Unterschiede spielen kaum noch eine Rolle. Relevanz haben die Kirchen nicht aus ihren religiösen Inhalten heraus, sondern nur noch als Institutionen, die etwas zur Stabilität der Gesellschaft beitragen. Mit diesen und den weiteren Ergebnissen der neuen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) hat sich der Diözesansynodalrat (DSR) auf seiner Klausurtagung am 26. und 27. Januar in Dernbach befasst.

Jonas Bechthold und Dr. Sebastian Stieler vom Referat Statistik im Bereich Pastoral und Bildung des Bischöflichen Ordinariats stellten die Ergebnisse der Studie vor und zeigten Entwicklungen auf. Die beiden Fachleute blickten dabei auch auf Erkenntnisse der repräsentativen Umfrage, die so nicht erwartet worden waren: Nach wie vor spielt so beispielsweise die Kirchengemeinde vor Ort für die Menschen eine große Rolle. Die Mehrheit (57 Prozent) der Katholikinnen und Katholiken fühlen sich mit ihrer Pfarrei verbunden und 73 Prozent der Befragten kannten sogar den Namen der Seelsorgerin oder des Seelsorgers vor Ort. Wer heute noch religiös ist, fühlt sich einer Kirche verbunden. Individuell wird der Glaube in den seltensten Fällen gelebt. Wichtige Aussagen macht die KMU auch zum Thema Vertrauen. Nur 20 Prozent der Befragten haben noch Vertrauen in die katholische Kirche. Das Vertrauen von Katholikinnen und Katholiken in die evangelische Kirche ist höher als das in die katholische Kirche.

Bevölkerung erwartet Reformen

Klar werden von der katholischen Kirche Reformen erwartet. Mehr Geschlechtergerechtigkeit, die Abschaffung des Zölibats, eine Neubewertung von Gleichgeschlechtlichkeit und eine Weiterentwicklung der katholischen Sexualmoral werden hier zentral benannt. Erwartet wird von der Kirche zudem, dass sie Menschen zur Seite steht und sie in herausfordernden Lebenssituationen berät. Auch der Einsatz für Menschen auf der Flucht und eine vermehrte ökumenische Zusammenarbeit wird gefordert.

Große Überraschungen, so die vorherrschende Meinung der Mandatsträgerinnen und Mandatsträger, habe die Umfrage nicht ans Licht gebracht. Vielmehr belegten die Ergebnisse den Megatrend, der seit vielen Jahren wahrzunehmen sei und sich auch in der Veröffentlichung der kirchlichen Statistik jährlich neu zeige. Dieser Megatrend sei nicht aufzuhalten und ein Gegensteuern scheint nicht möglich. Resignation und Einigeln seien aber keine Lösung, so der DSR. Es dürfe auch nicht darum gehen, Schuldige für die Entwicklung zu finden und Verantwortung auf andere abzuwälzen. Vielmehr müsse es darum gehen, mit Menschen neu in Kontakt zu kommen, Lernorte zu etablieren und demütig zu fragen, was der Nächste zum Leben brauche und von der Kirche erwarte. Die Wirklichkeit der Studie und die Wirklichkeit der heutigen Zeit seien nicht feindlich, sondern begegneten der Kirche vielmehr freundlich, wenn sie sich ihr wirklich stelle. Der DSR plädierte dafür, an einer neuen Verbindlichkeit zu arbeiten und eine Antwort auf die Frage zu finden, warum die Kirche den Anspruch habe, dass Menschen ihr Vertrauen schenke. Es brauche zudem neue Angebote, die sich an den Bedarfen der konkreten Menschen vor Ort orientiere. Dafür brauche es authentische, auskunftsfähige und sensible Haupt- und Ehrenamtliche und eine Kultur, die nicht als allwissend auftrete, sondern lernend unterwegs sei.

Ressourcen müssen umverteilt werden

Lernorte dafür gebe es viele. In Pfarreien, Kitas, Schulen, in Verbänden und im Netzwerk mit anderen, gelte es nun Strategien und Angebote zu entwickeln. Dafür brauche es einen pragmatischen Blick, der nicht alles neu erfinden muss, sondern auf gutes Engagement und auf gute Inhalte aufbaue. Vermehrt müsse der Haltung, in der kirchliches Handeln stattfinde, Beachtung geschenkt werden. Da die Kirche auf personelle und finanzielle Entwicklungen reagieren müsse und an ihrer Zukunftsfähigkeit arbeiten müsse, brauche es eine transparente Auseinandersetzung mit den Entwicklungen, die zu einer Umverteilung und zu einer Vergewisserung über Kirchenbilder führen müsste.

Bei der Suche nach Antworten und bei der nötigen Arbeit an Veränderungen und Strukturen, dürfe das „Heilige“ nicht vergessen werden. Aus der Begegnung mit dem Heiligen, mit Gott erwachse eine Nahbarkeit und Zugewandtheit zu den Menschen, die es dringend brauche und die das Zeugnis von Heiligen wie Katharina Kaspar oder Hildegard von Bingen auszeichneten. „Das Heilige darf nicht verloren gehen. Es müssen Anknüpfungen gefunden werden“, so das Fazit in einer Arbeitsgruppe.

Ehrenamt ist von großer Bedeutung

Großer Bedeutung komme auch die Entwicklung des Ehrenamts zu. Wer sich ehrenamtlich engagiere, suche oft nach einem Mehrwert für das eigene Leben. Das „Warum“ des ehrenamtlichen Engagements müsse daher klar gemacht werden. Dies könne durch ein Ehrenamtsmanagement, das Fragen der Qualifizierung und Qualität, der Werbung oder auch der Angebotsvielfalt bearbeite, geleistet werden. Ehrenamt dürfe nicht zum „Lückenfüller“ werden, weil hauptamtliche Ressource nicht mehr zur Verfügung stehe. Vielmehr müsse es darum gehen, vereinbarte Ziele für ehrenamtliches Engagement gemeinsam zu finden.

Ein klares Plädoyer gab es im DSR für ein verstärktes ökumenisches Miteinander. Historische Gründe für die Kirchenspaltung spielen, so die KMU, im Bewusstsein der Menschen keine Rolle mehr. Daher sollten sie die Zukunft der Zusammenarbeit auch nicht beeinflussen. „Wir müssen mehr gemeinsam im öffentlichen Raum wirken. Es braucht gemeinsames Handeln, gemeinsame Ziele und gemeinsame Strategien“, so das Fazit der Arbeitsgruppe.

Im Februar wird sich der DSR erneut mit der KMU befassen und an die Ergebnisse der Jahresklausur anknüpfen. Es sollen konkrete Maßnahmen und Empfehlungen für den Bischof erarbeitet werden.

Entwicklung eines Zukunftssicherungskonzepts

Auf seiner Klausur befasste der DSR sich auch mit dem Zukunftssicherungskonzept des Bistums Limburg. Thomas Frings, der Ökonom des Bistums, stellte dem Gremium das Vorgehen vor, wie und von wem das Zukunftssicherungskonzept erarbeitet werden soll. „Wir stehen vor großen Herausforderungen. Ein Zukunftssicherungskonzept kann nur tragen, wenn wir es uns zur gemeinsamen Sache machen, es umzusetzen und die dafür nötigen Entscheidungen treffen“, so Frings.

Hintergrund des Zukunftssicherungskonzepts sind die finanziellen Entwicklungen im vergangenen Jahr. Der Diözesankirchensteuerrat hat den Haushalt 2024 des Bistums Limburg beraten und genehmigt. Der Haushalt für dieses Jahr plant mit einer Entnahme aus den Rücklagen. Seine Genehmigung ist nur unter der Maßgabe, dass bis Juni ein Zukunftssicherungskonzept entwickelt ist, genehmigt worden. Dieses Konzept soll den Finanzhaushalt kurz, mittel und langfristig sicherstellen. Der DSR hat dem Vorschlag zum Vorgehen zugestimmt. Für das Thema „Zukunftssicherungskonzept“ wird aktuell eine umfassende Kommunikation mit Zahlen, Entwicklungen und Hintergründen erarbeitet.

Der DSR ist das synodale Beratungsgremium des Bischofs. Hier wirken gewählte Laien aus den Bezirken, Vertreterinnen und Vertreter aus Verbänden und Berufsgruppen, aus der Bistumsleitung und Priester zusammen. Sie beraten den Bischof abschließend zu zentralen Fragen und Themen in der Diözese.

Stephan Schnelle

Pressesprecher

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